Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
hielt einen Augenblick inne und schluckte, dann fuhr er mit fester Stimme fort.
    Ich habe den ganzen Morgen über Briefe geschrieben und mit mir debattiert, ob ich diesen hier beenden oder ihn lieber ins Feuer werfen soll. Doch jetzt sind die Rechnungsbücher fertig, ich habe an jeden geschrieben, der mir eingefallen ist, und die Wolken haben sich verzogen, so dass die Sonne durch das Fenster an meinem Schreibtisch scheint und Mutters Rosen ihre Schatten auf mich werfen.
    Ich habe im Lauf der Jahre immer wieder das Gefühl gehabt, meine Mutter zu mir sprechen zu hören. Doch ich brauche sie jetzt gar nicht zu hören, um genau zu wissen, was sie sagen würde. Also werfe ich ihn nicht ins Feuer.
    Du erinnerst dich doch - oder? - an den Tag, an dem ich den guten Sahnekrug zerbrochen habe, weil du mich geärgert hast und ich ihn dir an den Kopf geworfen habe? Ich weiß, dass du es noch weißt, denn du hast Claire einmal davon erzählt. Ich habe gezögert, mein vergehen zuzugeben, und du hast die Schuld auf dich genommen, aber Vater kannte die Wahrheit und hat uns beide bestraft.
    Nun bin ich also eine zehnfache Großmutter mit grauen Haaren, und ich fühle immer noch, wie meine Wangen schamrot werden und sich mein Magen wie eine Faust zusammenballt, wenn ich daran denke, wie Vater uns aufgefordert hat, uns nebeneinander hinzuknien und uns über die Bank zu beugen, um unsere Prügel in Empfang zu nehmen.
    Du hast gejammert und gegrunzt wie ein junger Hund, als er dir das Fell gegerbt hat, und ich konnte kaum atmen und habe es nicht gewagt, dich anzusehen. Danach war ich an der Reihe, aber ich war so überwältigt und verängstigt, dass ich die Schläge, glaube ich, kaum gespürt habe. Sicher liest du das jetzt und sagst dir entrüstet, dass es nur daran liegt, dass Vater sanfter mit mir umgesprungen ist, weil ich ein Mädchen war. Nun, vielleicht, vielleicht auch nicht; ich muss zugeben, dass Ian weniger hart zu seinen Töchtern ist.
    Jamie prustete bei diesen Worten.
    »Aye, da hast du Recht«, brummte er. Er rieb sich mit dem Finger über die Nase und trommelte beim Lesen mit den Fingern auf den Tisch.
    Aber dann hat Vater gesagt, du würdest noch eine Tracht Prügel bekommen, diesmal, weil du gelogen hättest - denn die Wahrheit sei schließlich die Wahrheit. Da wäre ich gern aufgestanden und geflüchtet, aber er hat mich angewiesen zu bleiben, und er hat ganz leise zu mir gesagt, dass du zwar den Preis für meine Feigheit bezahlen müsstest, dass er es aber nicht recht fände, wenn ich ganz ungeschoren davonkäme. Weißt du eigentlich, dass du beim zweiten Mal nicht einen Laut von dir gegeben hast? Ich hoffe, du hast die Schläge des Riemens auf Deinem Rücken nicht gespürt, denn ich habe jeden einzelnen gespürt.
    An diesem Tag habe ich mir geschworen, nie wieder feige zu sein. Und ich sehe ein, dass es nichts anderes als Feigheit ist, wenn ich dir weiter Ians wegen Vorwürfe mache. Ich habe immer schon gewusst, was es bedeutet, einen Mann zu lieben - ob er nun Ehemann oder Bruder, Geliebter oder Sohn ist. Auge in Auge mit der Gefahr zu leben, das bedeutet es.
    Männer gehen, wohin sie wollen; sie tun, was sie tun müssen; es ist nicht Sache der Frau, sie zum Bleiben zu bewegen oder sie für das zu tadeln, was sie sind - oder dafür, dass sie nicht zurückkehren.
    Das habe ich gewusst, als ich Ian mit einem Kreuz aus Birkenholz und einer Locke von meinem Haar als Liebespfand nach Frankreich geschickt habe und gebetet habe, dass er heil an Körper und Seele zu mir nach Hause kam. Ich habe es gewusst, als ich dir einen Rosenkranz gegeben und dich nach Leoch verabschiedet habe, in der Hoffnung, dass du Lallybroch und mich nicht vergessen würdest. Ich habe es gewusst, als der Kleine Jamie zur Seehundsinsel geschwommen ist, als Michael das Schif nach Paris bestiegen hat, und ich hätte es auch wissen sollen, als unser Ian mit dir gegangen ist.
    Aber ich bin immer gesegnet gewesen; meine Männer sind stets zu mir zurückgekehrt. Verstümmelt vielleicht; dann und wann ein wenig angesengt; verkrüppelt, gebrochen, mitgenommen und zerlumpt - aber ich habe sie immer zurückbekommen. Ich habe mir angewöhnt davon auszugehen, dass ich ein Recht darauf habe, und das ist falsch von mir gewesen.
    Seit dem Aufstand habe ich so viele Witwen gesehen. Ich kann nicht sagen, wie ich darauf gekommen bin, dass ich von ihrem Leid ausgenommen bleiben sollte, warum ich allein keinen meiner Männer verlieren sollte und nur eines meiner

Weitere Kostenlose Bücher