Das Flammende Kreuz
wies auf das Vegetationsgewirr. Der Boden war hier zu tief für den Karren, also ließen wir ihn stehen und ließen die Jungen frei umherlaufen und kleine Krebse und bunte Vögel jagen, während wir langsam in den stoppeligen Wald vordrangen. Marsali trug Joan, die sich wie ein Mäuschen im Arm ihrer Mutter zusammenrollte und einschlief, eingelullt von Meer und Wind.
Trotz des dichten Pflanzenwuchses war das Gehen hier angenehmer als auf dem offenen Strand; die vom Wind gestutzten Bäume waren hoch genug, um uns ein angenehmes Gefühl der Zurückgezogenheit und des Schutzes zu geben, und der Boden war besser, weil wir jetzt eine dünne Schicht aus verrottendem Laub und Nadeln unter den Füßen hatten.
Jemmy hatte langsam keine Lust mehr zu laufen. Er zupfte an meinem Rock und hob beide Arme, damit ich ihn aufhob.
»Na gut.« Ich hängte mir den Beereneimer an mein Handgelenk und hob ihn hoch. Dabei knackte meine Wirbelsäule, denn er war ein kräftiger, kleiner Kerl. Er schlang bequem seine sandigen Füße um meine Taille und legte mit einem Seufzer der Erleichterung den Kopf an meine Schulter.
»Das ist ja alles sehr schön für dich«, sagte ich und klopfte ihm sanft auf den Rücken. »Und wer trägt Oma, he?«
»Opa«, sagte er und kicherte. Er hob den Kopf und sah sich um. »Wo ist Opa?«
»Opa hat zu tun«, sagte ich zu ihm und bemühte mich um einen unbeschwerten, fröhlichen Ton. »Opa und Papa kommen bald wieder.«
»Will meinen Papa!«
»Ja, das will deine Mami auch«, murmelte ich. »Hier, Schätzchen. Siehst du das? Siehst du die kleinen Beeren? Die wollen wir pflücken, das wird ein Spaß. Nein, nicht essen! Jemmy, ich habe gesagt, nicht, steck sie nicht in den Mund, dir wird schlecht davon!«
Wir hatten eine dicht mit Wachsmyrten bewachsene Stelle gefunden und schwärmten aus. Beim Pflücken verloren wir einander aus den Augen, riefen uns jedoch alle paar Minuten gegenseitig, um uns nicht ganz zu verlieren.
Ich hatte Jemmy wieder auf den Boden gestellt und fragte mich gerade, ob es wohl eine Verwendung für das gekochte Fruchtfleisch der Myrtenbeeren gab, wenn das Wachs ausgelassen war, als ich hinter dem Busch, den ich gerade leer pflückte, das leise Knirschen von Schritten hörte.
»Bist du das, Schatz?«, rief ich, weil ich dachte, es sei Brianna. »Vielleicht sollten wir bald zu Mittag essen; ich glaube, es fängt wirklich bald an zu regnen.«
»Nun, das ist eine sehr freundliche Einladung«, sagte eine Männerstimme, die belustigt klang. »Ich danke Euch, Ma’am, aber ich habe erst vor kurzem gut gefrühstückt.«
Er trat hinter dem Busch hervor, und ich stand wie gelähmt da und konnte kein Wort sagen. Mein Verstand war allerdings seltsamerweise ganz und gar nicht gelähmt; meine Gedanken rasten mit Lichtgeschwindigkeit dahin.
Wenn Stephen Bonnet hier ist, sind Jamie und Roger nicht in Gefahr, Gott sei Dank.
Wo sind die Kinder?
Wo ist Brianna?
Wo ist dieses Schießeisen, gottverdammt?
»Wer ist das, grand-mère?« Germain, der hinter einem Strauch auftauchte, hatte etwas in der Hand, das wie eine tote Ratte aussah, und kam argwöhnisch auf mich zu. Er sah den Eindringling mit zusammengekniffenen Augen an.
»Germain«, sagte ich krächzend, ohne den Blick von Bonnet abzuwenden. »Geh, und such deine Mutter, und bleib bei ihr.«
» Grand-mère, ja? Und wer ist dann seine Mutter?« Bonnet blickte interessiert von mir zu Germain und wieder zurück. Er schob seinen Hut zurück und kratzte sich am Kinn.
»Das spielt keine Rolle«, sagte ich, so bestimmt ich konnte. »Geh, Germain!« Ich warf einen verstohlenen Blick auf den Boden, doch die Pistole lag nicht in meinem Eimer. Wir hatten sechs Eimer dabei, und drei davon hatten wir in dem Karren gelassen; die Pistole war mit Sicherheit in einem davon. Pech gehabt.
»Oh, bitte geht noch nicht, kleiner Sir.« Bonnet machte eine Bewegung in Germains Richtung, doch seine Geste jagte dem Kleinen Angst ein, und er wich mit einem Satz zurück und warf mit der Ratte nach Bonnet. Sie traf ihn am Knie und überraschte ihn so, dass er genau jenen Bruchteil einer Sekunde zögerte, den Germain benötigte, um zwischen den Myrten zu verschwinden. Ich konnte hören, wie seine Füße beim Rennen im Sand scharrten, und hoffte, dass er wusste, wo Marsali war. Das Letzte, was wir jetzt brauchen konnten, war, dass er sich verlief.
Nun, vielleicht ja doch nicht das Allerletzte, verbesserte ich mich. Das Allerletzte, was wir jetzt brauchen konnten, war,
Weitere Kostenlose Bücher