Das Flammende Kreuz
sich mit mir gegen ihn zu stellen.« Er betrachtete die untergehende Sonne und warf mir einen reumütigen Blick zu.
»Ich habe zwar gesagt, dass ich Vater Kenneth bis Sonnenuntergang finden würde, aber dennoch - ich glaube nicht, dass wir heute Abend eine Hochzeit erleben werden, Sassenach.«
Rabbie führte uns quer durchs Gelände und folgte dem Netzwerk aus Fußwegen und zertrampeltem Gras ohne jedes Zögern. Die Sonne war tief in die Kerbe zwischen den Bergen gesunken, stand aber immer noch hoch genug, um den Berghang in ein warmes, rötliches Licht zu tauchen, das die Kälte des Tages vorübergehend Lügen strafte. Die Leute sammelten sich jetzt in hungriger Erwartung ihres Abendessens um ihre Familienfeuer. In der allgemeinen Geschäftigkeit hatte niemand einen Blick für uns übrig.
Endlich blieb Rabbie am Beginn eines gut kenntlichen Weges stehen, der bergauf und nach rechts führte. Ich hatte im Lauf der Woche, die das gathering dauerte, den Berg mehrfach im Zickzack überquert, hatte mich aber nie so weit nach oben vorgewagt. Wer hatte Vater Kenneth in seiner Gewalt, fragte ich mich - und was plante Jamie dagegen zu unternehmen?
»Da oben«, sagte Rabbie überflüssigerweise und zeigte auf die Spitze eines großen Zeltes, die gerade eben hinter einer Wand aus langnadeligen Kiefern zu sehen war.
Jamie gab beim Anblick des Zeltes einen schottischen Kehllaut von sich.
»Oh«, sagte er leise. »So ist das also.«
»Ach ja? Sei es, wie es will, wem gehört das Zelt?« Ich warf einen skeptischen Blick auf das Zelt, eine große Konstruktion aus gewachstem, braunen Segelleinen, das bleich in der Abenddämmerung schimmerte. Es gehörte offensichtlich einem ziemlich reichen Mann, doch mir war es nicht vertraut.
»Mr. Lillywhite aus Hillsborough«, sagte er, und seine Augenbrauen runzelten sich nachdenklich. Er tätschelte Rabbie Campbell den Kopf und
reichte ihm einen Penny aus seinem Sporran. »Dank’ dir, Junge. Lauf jetzt heim zu deiner Mama; es ist Abendessenszeit.« Rabbie nahm die Münze in Empfang und verschwand wortlos, froh, seine Aufgabe erledigt zu haben.
»Ach, wirklich.« Ich betrachtete das Zelt voller Argwohn. Das erklärte einiges, dachte ich - wenn auch nicht alles. Mr. Lillywhite war ein Magistrat aus Hillsborough, obwohl ich nichts weiter über ihn wusste, außer, wie er aussah. Ich hatte ihn im Lauf des gathering ein- oder zweimal zu Gesicht bekommen, war ihm jedoch nie offiziell vorgestellt worden - er war ein großer Mann von ausgesprochen schlaffer Körperhaltung, den ein flaschengrüner Rock mit Silberknöpfen unverwechselbar machte.
Magistraten waren für die Ernennung der Sheriffs verantwortlich, was sowohl seine Verbindung mit dem »gemeinen, fetten Kerl« aus Marsalis Beschreibung als auch den Grund erklärte, warum man Vater Kenneth hier festhielt - allerdings die Frage offen ließ, ob es in erster Linie Mr. Lillywhites Wunsch oder der des Sheriffs gewesen war, den Priester aus dem Verkehr zu ziehen.
Jamie legte mir eine Hand auf den Arm und zog mich vom Weg in den Schutz einer kleinen Kiefer.
»Du kennst Mr. Lillywhite nicht, oder, Sassenach?«
»Nur vom Sehen. Was soll ich denn tun?«
Er lächelte mich an, einen Hauch von Schabernack in den Augen, trotz seiner Sorge um Vater Kenneth.
»Also spielst du mit?«
»Wenn du nicht vorschlägst, dass ich Mr. Lillywhite eins über den Schädel brate und Vater Kenneth mit Gewalt befreie, ja. So etwas fällt eher in deinen Arbeitsbereich als in meinen.«
Er lachte und betrachtete das Zelt mit einem Blick, der mir sehr sehnsüchtig vorkam.
»Nichts, was ich lieber täte«, sagte er und bestätigte damit meinen Eindruck. »Es wäre auch gar nicht schwierig«, fuhr er fort und warf einen abschätzenden Blick auf die braunen Leinenwände des Zeltes, die sich im Wind blähten. »Sieh dir an, wie groß es ist; es können sich außer dem Priester höchstens ein oder zwei andere Männer darin befinden. Ich könnte warten, bis es ganz dunkel ist und dann ein paar Jungs mitnehmen und -«
»Ja, aber was soll ich jetzt tun?«, unterbrach ich seinen Gedankengang, der mir jetzt doch arg kriminelle Züge anzunehmen schien.
»Ah.« Er brach seine Überlegungen - vorerst - ab und sah mich blinzelnd an, um meine Erscheinung zu beurteilen. Ich hatte mir die blutbefleckte Leinenschürze ausgezogen, die ich während der Sprechstunde trug, hatte mir das Haar ordentlich mit Nadeln hochgesteckt und bot ein einigermaßen respektables, wenn auch an den
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