Das Fliederbett
hatte nicht viel beizutragen.
Und wir redeten rauf und runter, hin und her, dies und das, aber nie von Erotik.
Wir sprachen nie von dem, was uns am meisten am Herzen lag, und doch glaube ich, daß wir schon damals spürten, wie wenig dieses Hinundhergerede uns würde bremsen können. Dieses Sextabu kam uns nicht natürlich vor, und in uns wuchsen Kräfte, die am Fleisch zerrten. Es war eine Spannung in uns, die wir nachts, nach den Vorstellungen, am stärksten empfanden. Da saßen wir in einem der Zimmer zusammen, Lola strickte an einem Riesenpullover und verlor Maschen, und Björn und ich lagen vielleicht auf ihrem Bettrand mit einem Buch, das bis auf Seite drei gelesen war. Dabei suchten wir wie die Irren nach Worten, und unsere Augen waren unentwegt in Lola gebohrt.
Sie blickte manchmal vom Strickzeug auf, beobachtete uns und bewegte die Lippen, als ob sie spräche. Doch es kamen keine Worte. Wir hatten keine Worte! Wir vergaßen in solchen Augenblicken, wie man redet, wie man Buchstaben in sich formt und Worte aufbaut. Man lächelte, man versteckte sich hinter seiner eigenen Durchsichtigkeit und bohrte die Nägel tief in die Handflächen.
Es würde leichter gewesen sein, wenn wir nicht zu dreien gewesen wären. Wenn wir eine Möglichkeit zu Kontakten außerhalb unserer Dreieinigkeit besessen hätten, aber wir erreichten die Außenstehenden nie. Sie liefen uns in der weißen Landschaft davon.
Unsere Tage glichen einer dem andern: Reisen, Auspacken und Vorstellung. Die Wiederholung der Eintönigkeit des Vortages saß uns wie ein verdorbener Bissen im Halse.
Wir hatten in Stockholm eine stillschweigende Übereinkunft abgeschlossen. Wir spürten, daß wir sie nicht würden einhalten können. Ich sah Lola nicht mehr auf dieselbe Weise an wie früher. Hörte nicht mehr, wie sie redete oder was sie sagte. Lola war zu einem großen Brunnen geworden, und ich fühlte, wie nahe ich daran war, mich blindlings in ihn hinunterzustürzen.
Auch Björn war verändert. Auch er hatte andere Blicke bekommen, und ich fühlte Angst vor dem, was geschehen könnte, obwohl ich die Situation gleichzeitig als etwas Herrliches, Perverses und schmerzhaft Schönes empfand. Und Lola begann, ihre entschlossene Haltung zu verlieren. Wir empfanden ihre Nachgiebigkeit wie einen frohen Schmerz in der Brust. Wir fühlten, daß wir nicht mehr länger auf die
Weise leben könnten. Ein froher Schmerz in der Brust, der bald wie ein Geschwür aufbrechen und uns ein Erlebnis ohne Hemmungen schenken würde.
Und wir fanden die Worte noch nicht, vielleicht suchten wir gar nicht nach ihnen; wir wollten sie nicht gebrauchen, wir fürchteten sie, und während wir auf das Schöne, Unausbleibliche warteten, versuchten wir die Tage und Nächte erträglicher zu machen, indem wir uns gegenseitig Zärtlichkeit entgegenbrachten. So sehr wurden wir von der Zärtlichkeit eingefangen, daß wir jetzt alles andere völlig routinemäßig erledigten.
Die Vorstellungen am Abend öffneten ein Ventil, nur nicht das richtige.
Lola zeigte jetzt ein Lächeln, das ich vorher nie gesehen hatte. Es war flüchtig, frech und offen, es reichte noch nicht aus, um mich... oder Björn zum Handeln zu verleiten. Wir glitten wie in einem Traum umeinander herum, und wir fühlten, daß der Zeitpunkt sich näherte. Es war wie ein Schwindel, so als verlöre man seine Identität und wüßte trotzdem, daß man so lebendig, wie ich unser Warten erlebte — so lebendig noch nie gewesen war.
Und das Leben, das wir in Stockholm hinter uns zurückgelassen hatten, war ein trockenes Büschel Heidekraut und mehr nicht.
Wir verloren uns in das Weiß, wir drangen darin ein, und unsere früheren Gesichter waren nicht mehr dieselben.
Erst war das Gefühl der Zärtlichkeit fast betäubend. Es wurde ein Erlebnis, jenseits allem bisher Erlebten, Lola entzündete es, und es umfaßte uns alle drei. Es war eine Sanftheit, eine mild duftende Bewegung. Eine Bewegung, die Björn genauso verpflichtend aufnahm, wie ich es tat. Anfangs nahm sich die Zärtlichkeit die üblichen Freiheiten; leichte Flügelschläge über Lolas weichem Haar. Eine Hand an Lolas Wange, meine Hand oder Björns Hand. Alle unsere Hände, und es prickelte in den Fingerspitzen, und es strömte
Wärme durch sie hin, die von Lola aus in unsere Körper überging.
Wir berührten einander flüchtig. Noch waren die Worte nicht vorhanden, aber wir begannen, uns nach ihnen zu sehnen und nach neuen Bewegungen für die Glieder.
Ich weiß
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