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Das Fliederbett

Das Fliederbett

Titel: Das Fliederbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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nicht mehr, wie die Vorstellungen verliefen. Nicht mehr, wie sie ausfielen, kaum noch, was wir spielten. Wir existierten, und das Wichtigste war jetzt, alle Hemmungen zu sprengen und sich zu begegnen. Zu dritt. Es lag in der Luft, und keiner schloß sich aus. Es erschien natürlich, und Lolas Lächeln war der Schlüssel.
    Nach einer weiteren Woche waren wir uns genauso nahe wie Kälte und Wärme.
    Auf dem Fußboden meines Hotelzimmers fing es an...
    Wir hatten uns über vieles geärgert: Ein idiotischer Lappe in der ersten Reihe hatte während der Vorstellung die Zeitung gelesen. Ein anderer hatte leere Flaschen unter die Stuhlreihen gerollt. Eine schlecht geheizte Garderobe und dünner Kaffee. Doch das blieben alles nur Ausreden, wir waren über unsere Stummheit verärgert und über das Jucken, das sich über und unter der Haut ausgebreitet hatte. Das sich wie eine lodernde Steppe in uns breitmachte. Wir waren geil, verdammt geil, und wir wußten, daß wir jetzt die richtigen Worte, die einleitenden Bewegungen finden mußten.
    Wir hatten Kognak gekauft. Massenhaft. Wir mußten noch weiter nordwärts, noch weiter in die Eiszeit hinein, und da konnte man den Schnaps gebrauchen.
    Ich hatte ausnahmsweise mal ein gutes Zimmer bekommen mit einem großen Kamin in der einen Ecke und einem Doppelbett. Bisher hatten wir unsere Unterwäsche immer schön ordentlich in unsern Einzelzimmern über die Stuhlrücken gelegt und waren in kalten Betten eingeschlafen, mit Wänden zwischen uns. Bestenfalls mit Lola im angrenzenden Zimmer.
    Es war an der Zeit, wir hatten Sonnenschein im Gemüt und zwei volle Flaschen Kognak auf dem Tisch sowie einen kalten Auerhahn, den eine alte Frau in Råneå über dem offenen Feuer gebraten hatte, und eine kleine Dose russischen Kaviar.
    Ich machte Feuer und rief die andern.
    Wir aßen, wir tranken. Lolas Mann wurde immer kleiner, und als er so klein war, daß er auf die Handfläche gepaßt hätte, schien es an der Zeit, ihn auf die Scheite im offenen Feuer zu legen. Björns kleine Krankenschwester zog die Haube übers Gesicht und wurde völlig verwischt. Wir lagen auf dem dicken, weichen Teppich vor dem Kamin, Björn und ich jeder auf einer Seite von Lola. Wir starrten in das Feuer, und die Hitze versengte unsere Gesichter.
    »Jetzt ist es gut, jetzt ist mir wohl«, sagte sie. »Und auf jeder Seite einer ist doppelt herrlich.«
    »Soll ich die Lampe am Bett ausmachen?« fragte ich.
    Sie sah mich fast vorwurfsvoll an, und mir wurde klar, daß ich vorsichtig über die Blumenwiese pirschen mußte. Bloß die Stimmung nicht verderben, die sich über uns schlich, nicht zu plötzlich sein.
    »Ich meine... es ist schön, wenn wir nur das Licht vom Feuer haben.«
    »Mach nur aus.«
    Sie sah froher aus, lächelte ein wenig. Dann bohrte sie den Kopf in den weichen Teppich und stieß kurze Laute aus wie ein Kauz. Sie war jetzt ein Kätzchen: einen Augenblick lag sie auf dem Bauch, dann schnellte sie in die Höhe, um sich wieder auf den Rücken zu rollen. Zappelte mit den Beinen in der Luft und miaute.
    Draußen fiel dichter Schnee. Das Fenster war ganz weißgetüncht, und wir fühlten uns völlig eingeschlossen.
    »Mehr Kognak?« fragte Björn.
    Wir tranken ziemlich viel. Wir hatten vielleicht noch ein wenig Angst; uns war etwas sonderbar zumute, und obwohl wir lange auf diese Situation gewartet hatten, überrumpelte sie uns in ihrer Schlichtheit. In uns war schon alles bereit, und es tat jetzt, da wir endlich die Worte finden sollten, fast weh. Die Zunge war gelähmt beim Gedanken an Worte, und wir versuchten, uns mit den Augen, mit den Gliedmaßen auszudrücken.
    Lola lag zwischen uns, und ich hörte ihren Atem, der stoßweise kam, als raube ihr das Feuer den Sauerstoff.
    Wir rauchten und tranken. Lola hatte plötzlich Lust, von ihrer Kindheit zu erzählen:
    »Im Sommer wohnten wir in den Schären... auf Blidö. Stellt euch vor, ich weiß nicht einmal mehr, wie das Haus aussah, komisch... und auch nicht, wie man dorthin gelangte. Doch, das Haus war gelb mit weißen Ecken, und ich erinnere mich an den Duft von gelbem Labkraut oder Jungfrau Marias Bettstroh, wie es wohl auch genannt wird. Bettstroh... Wenn ich an den Duft denke, wird der ganze Sommer wieder lebendig. Die Tage am Meer... wie frei man sich fühlte.«
    »Du warst sicher ein hübsches Ding«, sagte Björn.
    »Hübsch?«
    »Du warst sicher ein kleiner Frechdachs... so klein.«
    Er zeigte mit den Fingern, wie klein der Frechdachs gewesen sein mochte,

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