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Das Fliederbett

Das Fliederbett

Titel: Das Fliederbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Gelegenheit, das Geld unter die Leute zu bringen. Ihr könnt dasitzen und sparen, euch selbst kennenlernen und gute Bücher lesen.«
    Das hörte sich einfach an, das machen wir. Es hörte sich jubelnd einfach an; in der Lappmark sitzen, gute Bücher lesen und sich selbst kennenlernen. Jedenfalls glaubten wir das.
    Ich sah Björn an. Er saß verbissen da und rauchte Pfeife, starrte in die weiße Landschaft und auf das hellere Weiß des Weges. Hier und da ein geschälter Tannenast, damit man sich nicht völlig in der weißen Ode verirrte.
    Das Weiße...
    Es verbarg sich so manches in dem Weißen... Ein Weiß, das mit noch stärkerem Weiß abwechselte. Weiß... weiß... eine Unendlichkeit aus weißem Nichts. Ein Nichts, das alles enthielt. Ein zermalmend schweres Weiß, wie eine Lawine... eine weiße Kälte, die auf dich zukriecht, alle schützenden Masken herunterreißt und dich wie eine Libelle auf dem Meer bloßlegt. Entblößt und ohne Vorbehalte; ein Weiß, das enthüllt und verbirgt, das Haut und Konventionen abschürft... Nackt in all dem toten Tingeltangel, mit dem wir uns behängten.
    Björn und der Weg. Björn am Steuer. Björn mit der Pfeife. Björn, der seinen Blick konzentrierte, um sich in der öden Landschaft nicht zu verlieren. Lola, die dicht neben mir saß, ihre Fäustlinge in den meinen. Im Augenblick hatten wir keinen richtigen Vertrag in der Aktentasche. Keinen Vertrag, der drei Menschen drei Monate lang in einem alten Lincoln-42 aneinandergebunden hätte. Da war nur Björn am Steuer, und er fuhr entschlossen und sicher durch das endlose Weiß. Und neben mir Lola. Sie kratzte mit ihrer freien Hand an der Scheibe, doch die Eisblumen wucherten immer schneller. Sie gab auf. Und sie lächelte mich an. »Korpilombolo«, sagte sie. »Das klingt warm und gut. Man ahnt fast die Liebestänze der Farbigen um die Hütten herum.«
    »Im Augenblick sind dort siebenunddreißig Grad Kälte«, sagte Björn.
    Er lächelte nicht einmal andeutungsweise.
    Wir wurden von Rentierkadavern verfolgt.
    Rentierschlachten, Blut im Schnee. Tierleiber, zu Haufen getürmt. Großes >kaltes Büfett< im Hotel in Korpilombolo mit Rentierkoteletts, Rentierleberpastete und Rentierrippchen, die wie eine dornige Prinzessinnenkrone mitten auf dem Tisch standen. Geruch von totem Wild. Immer dasselbe. Wir trugen unser Gepäck auf die Zimmer. Drei Einzelzimmer in einem düsteren Korridor. Der Geruch folgte uns auf den Fersen.
    »Ich will nichts zu essen haben«, sagte Lola. »Ich glaube, ich kann oder will nie wieder etwas essen.«
    Björn trat in Lolas Zimmer an das Fenster und sah hinaus. Immer Fenster. Wir gingen zuerst ans Fenster, wohin wir auch kamen. In Umkleideräumen, in Hotels: Fenster... Fenster. Dauernd ein Gefühl von Unruhe, und es war, als gaukelten wir uns selbst eine gewisse Ruhe vor, wenn wir an einem Fenster standen. Als erwarteten wir etwas anderes als das weiße Bild.
    »Es schneit wieder... jetzt wieder«, murmelte er. »Am besten fahren wir den Wagen zu dem Saal hin, packen aus und versuchen dann, eine geheizte Garage zu finden.«
    Lola und ich gingen auch zum Fenster. Da draußen stand unser Wagen wie ein kleiner Punkt von Geborgenheit, eine Schneegrotte, ein Schneehöhlengefängnis, und das war irgendwie beruhigend.
    Zwei Stunden bis zur Vorstellung, und dann...
    Dann, nach der Vorstellung, folgte der schwerste Teil des Tages. Einander nahe zu sein und doch auch nicht. In der ersten Woche schien alles neu, und die Unruhe hatte uns noch nicht eingekreist. Wir waren noch etwas unsicher in den Rollen, und natürlich war Lappland zauberhaft, tra-la-la. Ein bißchen Schnee, ein bißchen Kälte, was tat das schon? Und drei Monate vergehen ja so schnell!
    Wir waren draufgängerisch bis zur Unerträglichkeit. Manchmal hielten wir inne, spürten unsere Masken und wurden etwas verlegen. So leicht führt man sich gegenseitig nicht hinters Licht...
    In der Garderobe ging es leichter. Wir waren zu dritt, wir waren uns nahe, und Stück für Stück entkleideten wir uns, ohne irgend etwas dabei zu empfinden. Wir schminkten uns und schlüpften in die Kostüme, die Nervosität wegen der bevorstehenden Vorstellung machte uns redselig. Kleine, uninteressante Geständnisse tropften zu Boden und wurden weggewischt. Etwas über Lolas Mann, seine Eigenheiten und fixen Ideen. Björn sprach von seiner Braut in Stockholm, die einen Kursus für Krankenschwestern mitmachte und meistens unnahbar war.
    Ich saß in der Regel still da und hörte zu,

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