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Das Fliederbett

Das Fliederbett

Titel: Das Fliederbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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sah drohend aus.
    Wir gingen an einer Barkasse vorbei, die gerade am Kai angelegt hatte. Ein schwarzes Auto glitt heran. Einige Personen stiegen aus und wurden durch die Bootsmannspfeifen nach alter Tradition begrüßt. Wir blieben stehen und siehe da: War das nicht Admiral Tamara, die sich anschickte, an Bord zu gehen?
    Ich sah sie zuerst nur von hinten, weil sie damit beschäftigt war, ihr Gepäck zu verteilen. Die Maats bildeten Spalier, als sie zur Barkasse hinunterschritt, und plötzlich wurde mein Hals trocken.
    Knochentrocken!
    Hatte man so etwas schon erlebt? Nein, zum Teufel!
    Sie trug schwarze Stiefel und eine dunkelblaue Admiralsuniform mit Umhang. Um den Hals hatte sie ein weißes Tuch geschlagen. Ich trat einige Schritte näher an die Abteilung, die jetzt die Gewehre schulterte.
    Ganz sicher, sie hatte mich bemerkt. Für einen Augenblick ruhten ihre Augen auf mir, und ich sah, wie die grünen, etwas katzenähnlichen Pupillen sich verkleinerten.
    Du kleine Bibliothekarin! dachte ich und lächelte.
    Es waren nur ihre Augen, die zurücklächelten.
    Als sie in das kleine Motorboot stieg, folgten ihr einige Offiziere. Sie stand während der Fahrt zu dem panzergrauen Kreuzer in strammer Haltung.
    »Komm jetzt endlich«, sagte Tanja, »gehen wir weiter!«
    »Wir können uns doch ansehen, wie der Kreuzer ablegt«, sagte ich. »Ich bin immer an Kriegsschiffen interessiert.«
    »Kerle!« fauchte Tanja. »Und ihr redet über den Frieden!«
    Aber wir blieben stehen, und ich sah, wie das Fallreep geentert wurde, wie man von der Ankerboje loswarf und langsam in Fahrt Richtung Alexanderbrücke kam, die bereits hochgezogen war.
    Auf dem Kai hatte sich jetzt eine Menge von Leuten angesammelt. Ich wußte, daß zum Abschluß der Kongreßwoche eine Parade der Baltischen Roten Flotte stattfinden sollte.
    Du verdammte, kleine Bibliothekarin!
    Der leichte Kreuzer wurde geschickt den Fluß hinuntermanövriert. Ich spähte vergeblich nach dem Admiral. Nach einer Weile entdeckte ich Tamara hoch oben auf einer Brücke. Sie stand ruhig zwischen einer Gruppe von Offizieren, man salutierte, ein Trompetensignal; es war nicht die Rote Flagge mit Hammer und Sichel, die ich erwartet hatte, sondern natürlich die Kriegsflagge, die achtern gesetzt wurde.
    Das Fahrzeug gierte stark und kam dadurch dem Ufer, wo wir uns postiert hatten, sehr nahe, bevor es so viel Fahrt aufgenommen hatte, daß es dem Ruder gehorchte.
    Plötzlich sah ich, wie einer der achternen Tripeltürme schwenkte, und einen Moment später starrte ich direkt in die drei schwarzen Kanonenrohre.
    Auf unserer Höhe gingen sie hoch. Bald wiesen drei panzerfarbene Rohre gerade in den Himmel. Das Bild war überwältigend und nicht ohne menschliche Parallelen.
    Ich konnte nicht anders, ich mußte lächeln und winkte fröhlich hoch zu den steifen Gestalten auf der Brücke. Die Schrauben des Kreuzers wühlten den Bodenschlamm tüchtig auf.
    Der achterne Drillingsturm hielt seine Kanonenrohre gegen den Himmel gerichtet, solange ich den Kreuzer sehen konnte.
    »Komm jetzt«, bat Tanja und zog mich am Jackenärmel. »Ich weiß ein kleines, mongolisches Restaurant am Newskij Prospekt, wo wir ein gutes Mittagessen bekommen können.«
    »Okay«, antwortete ich ein bißchen geistesabwesend.
     

BENGT MARTIN
    Die Tournee
     
    W ir waren den ganzen Tag gereist und sehr müde.
    Lola und ich saßen auf dem Rücksitz, in alte Wolldecken gewickelt. Die Seitentüren unseres Lincoln-42 hatten wir mit Stricken zugebunden, um zu verhindern, daß sie wie große schwarze Flügel auf flogen. Die Schlösser waren festgefroren, und durch die Ritzen der Türen sahen wir den kalten, flimmernden Schnee.
    »Ich hole mir noch eine Entzündung in den Eierstöcken, ehe diese verdammte Tournee zu Ende ist«, sagte Lola. »Aber das ist auch egal. Im Augenblick ist alles gleichgültig... deshalb ist es egal. «
    Kein einziges Haus, nicht einmal die kleinste Hütte auf den letzten achtzig Kilometern, nur dieser verfluchte Schnee und die Kälte. Kleine verkrüppelte Bäume, die der Schnee vergewaltigt und zur Erde gedrückt hatte. Überall im Schnee: Tierspuren.
    »Wölfe?« fragte Lola und versuchte zu lächeln.
    Nicht eine menschliche Behausung, soweit das Auge reichte, nicht eine Reifenspur. Keine menschlichen Hinterlassenschaften, die Scheiben am Auto waren zugefroren, und ich sah, daß Lola sie ab und zu fast verzweifelt mit ihren Fausthandschuhen bearbeitete. Trotz allem wollte sie hinausschauen.
    Auf diese

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