Das fliegende Klassenzimmer.
niemand gemogelt. Na, das wird sich ja herausstellen.
Außerdem möchte ich euch schon jetzt Folgendes mitteilen: Bei dem nächsten Unfug, den ihr anstellt, brumme ich euch ein Diktat auf, dass euch Hören und Sehen vergeht.«
Wie auf Kommando starrten alle zu Uli hinauf. Das konnte ja heiter werden!
»Was soll eigentlich der Papierkorb an der Zimmerdecke?«, fragte der Professor. »Lasst doch endlich diese Albernheiten!«
Ein paar Jungen sprangen hoch, um den Papierkorb herabzulassen.
»Nein!«, rief der Professor streng. »Lasst ihn nur ruhig hängen!
Das hat ja Zeit.« Sollte er wirklich nicht gemerkt haben, dass Uli darin saß? »Wir wollen«, sagte er, »ehe wir fortfahren, nur noch rasch ein paar Wörter aus dem gestrigen Diktat durchgehen. Wie schreibt man Vertiko? Sebastian!«
Sebastian Frank schob sein Buch über die Vererbungslehre unter die Bank und buchstabierte das Wort. Er buchstabierte es richtig.
Der Professor nickte. »Und wie wird Grammophon geschrieben? Uli!«
Die ganze Klasse erstarrte vor Schreck.
Der Professor trommelte nervös mit den Fingern auf dem Katheder. »Na, wird’s bald, Simmern? Los, los!«
Da ertönte es zitternd aus dem Papierkorb:
»G… r… a… m … m…« Weiter kam Uli nicht.
Magisch angezogen blickte der Professor nach oben und stand auf. »Seit wann ist denn dieses Zimmer ein Rummelplatz?
Willst du mir erklären, was du in der albernen Luftschaukel zu suchen hast? Bei euch piept’s wohl? Komm auf der Stelle herunter!«
»Ich kann nicht«, sagte Uli.
»Wer war das?«, fragte der Professor. »Schon gut. Ihr verratet es ja doch nicht. Matthias!«
Matz stand auf.
»Warum hast du das nicht verhindert?«
»Es waren zu viele«, erklärte Uli aus den Lüften.
»An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern«, erklärte der Professor. »Diesen Satz schreibt jeder bis zur nächsten Stunde fünfmal auf.«
»Fünfzigmal?«, fragte Sebastian spöttisch.
»Nein, fünfmal«, erwiderte der Professor. »Wenn man einen Satz fünfzigmal aufschreibt, hat man ihn zum Schluss wieder vergessen. Nur Sebastian Frank schreibt ihn fünfzigmal auf.
Wie lautet der Satz, Martin?«
Martin sagte: »An allem Unfug, der geschieht, sind nicht nur die schuld, die ihn begehen, sondern auch diejenigen, die ihn nicht verhindern.«
»Wenn du wüsstest, wie Recht du hast!«, meinte der Professor und lehnte sich zurück. »Das war der erste Teil der Tragödie. Nun angelt mal den Kleinen aus seiner Luftschaukel!«
Matthias stürzte nach vorn. Einige andere Jungen folgten. Und schließlich hatte Uli wieder festen Boden unter den Füßen.
»Und jetzt«, sagte der Professor, »folgt der Tragödie zweiter Teil.« Und dann gab er ihnen ein Diktat, dass es rauchte.
Fremdwörter, Groß- und Kleinschreibung, schwierige Interpunktion - es war glatt zum Verzweifeln. Die Tertianer schwitzten eine halbe Stunde lang Blut. Trotz des Winters und des Schnees. (Von diesem Diktat sprach man übrigens noch nach Jahren. Die beste Zensur war die Drei gewesen.)
»Teufel, Teufel!«, flüsterte Matthias seinem Nachbarn zu.
»Hoffentlich überfallen heute die Realschüler den Rudi noch einmal!«
Aber Professor Kreuzkamm nahm die Diktathefte selber mit heim. »Sicher ist sicher«, sagte er und verließ das Zimmer so ernst und steif, wie er gekommen war.
In der Pause kletterte Uli aufs Katheder und rief: »Ruhe!« Aber die anderen lärmten weiter.
»Ruhe!«, rief er zum zweiten Mal. Es klang wie ein gequälter Aufschrei. Und da wurden sie alle still. Uli war blass wie ein Handtuch. »Ich möchte euch mitteilen«, sagte er leise, »dass ich das nicht mehr aushalte. Ich werde noch ganz krank davon.
Ihr denkt, ich bin ein Feigling. Nun, ihr werdet’s ja sehen. Ich fordere euch auf, heute um drei Uhr auf den Turnplatz zu kommen. Um drei Uhr. Vergesst es aber nicht!« Dann stieg er wieder herab und setzte sich auf seinen Platz.
»Was soll das denn heißen, Kleiner?«, fragte Matthias. Auch Martin und Johnny kamen an und wollten wissen, was er eigentlich vorhabe.
Er schüttelte beinahe feindselig den Kopf und meinte: »Lasst mich nur gehen! Ihr werdet’s schon sehen.«
Vor dem Mittagessen verteilte der Speisesaalpräfekt die Post.
Matthias und viele andere erhielten Geldsendungen. Es war das Reisegeld, auf das sie warteten. Martin bekam einen Brief von seiner Mutter. Er steckte ihn in die Tasche. Er brachte es, obwohl er doch lange
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