Das Flüstern der Albträume
und trocknete sich die Hände an der Schürze ab.
»Nein, es gibt kein Problem«, antwortete Eva.
Stan zuckte die Achseln. »Ich hab nur nach dem Zeitungsartikel gefragt. Hätte nicht gedacht, dass sie sich deswegen so anstellt.«
King stützte eine Faust in die Hüfte. »Möchtest du uns irgendwas sagen, Stan?«
Stan zog eine dünne Augenbraue hoch. »Du weißt hoffentlich, dass eine Mörderin für dich arbeitet.«
King machte ein grimmiges Gesicht. »Stan, du bist doch wirklich der Letzte, der anderen ihre Vergangenheit vorhalten sollte, oder? Deine eigene ist bewegt genug.«
Stan stand auf, sein dürrer Körper wirkte steif und ungelenk. »Ich bin vielleicht nicht vollkommen, aber ich bin kein Mörder. Und ich mag es nicht, von einer Mörderin bedient zu werden.«
Eva merkte, dass King gleich der Kragen platzen würde. »Stan, wenn ich dich hätte vergiften wollen, meinst du nicht, ich hätte es inzwischen getan?«
Kings Augen blitzten vor Empörung. »Vergiften!«
Stan zuckte die Schultern. »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
Eva lächelte. »Ich werde weder dich noch sonst jemanden vergiften. Allerdings muss ich jetzt an Tisch sechs und sieben Bestellungen aufnehmen. Also, falls du nicht noch etwas willst, gehe ich jetzt.«
Als Eva weg war, sagte Stan: »Ich weiß nicht recht, ob ich diesem Mädchen trauen kann.«
King machte eine wegwerfende Handbewegung, nahm Stans Teller vom Tisch und ging zurück zur Küche. »Halt’s Maul, Stan, und verschwinde von hier.«
Nachdem Eva Bestellungen aufgenommen und Getränke nachgeschenkt hatte, kam sie eine Viertelstunde später durch die Küchentür und ging zu King hinüber, der gerade einen Korb mit Pommes frites im heißen Öl versenkte. »Es gibt viele Leute wie Stan, King. Und die meisten sind nicht so geradeheraus wie er. Sie schauen sich vielleicht aus kranker Neugier noch einmal diese Kellnerin im King’s Pub an, aber danach kommen sie nicht wieder.«
»Zur Hölle mit ihnen.«
»Wenn es nur so einfach wäre.« Auf einmal fühlte Eva sich schrecklich müde und erschöpft. Würde ihr diese Sache ein ganzes Leben lang nachgehen, oder würde irgendwann der Tag kommen, an dem ihre Vergangenheit niemanden mehr kümmerte? »Ich mache mir Sorgen wegen Bobby. Das Jugendamt wird aufmerksam werden.«
King holte ein Tranchiermesser und begann, einen Truthahn zu zerlegen. »Ich bin sein Pflegevater, mit dir hat das nichts zu tun. Es dürfte keinerlei Probleme geben.«
»Falls Connor Donovan weiter seine Artikel schreibt, könnten sich die Probleme sogar noch ausweiten. Vor zehn Jahren hat er mit meinem Fall Karriere gemacht.«
»Es wird vorübergehen.«
King klang so zuversichtlich, als könnte er jedem Unwetter trotzen. Aber Eva war sich da nicht so sicher. Der Gewinn, den er mit dem Pub machte, war gering, und wenn er nur eine Handvoll Stammkunden verlor, würde er bald rote Zahlen schreiben. »Vielleicht sollte ich eine Weile woanders hinziehen. Bis die Medien das Interesse verlieren.«
King sah sie mit finsterer Miene an »Nein. Du bist hier zu Hause. Wir stehen das durch.«
Wir stehen das durch. Das waren die letzten Worte gewesen, die Angie vor zehn Jahren zu ihr gesagt hatte. Angie hatte den Schaden unterschätzt, den Donovan anrichten konnte.
Draußen hupte es. Eva stieß die Schwingtür auf und sah durch das Fenster am Eingang, wie ein Sendewagen nach einem Parkplatz suchte. Ihre Gedanken wandten sich Deacon Garrison zu. Aus einem Grund, den sie selbst nicht kannte, vertraute sie ihm und spürte, dass er ihr helfen konnte.
»Das hier wird nicht zu so einem Albtraum werden wie vor zehn Jahren.«
Donovans Artikel hatte großes Aufsehen erregt. Er wälzte bereits Ideen zu einer Fortsetzung, die sein Herausgeber für die Sonntagsausgabe eingeplant hatte. Falls er alles richtig machte, würde die Geschichte die Aufmerksamkeit der landesweiten Nachrichtensender auf sich ziehen, was ihm durchaus einen Buchvertrag einbringen konnte. Eva Rayburn hatte seine Karriere ins Rollen gebracht, und nun würde sie sie retten. Sie war wie ein Füllhorn, das niemals leer wurde.
Wie in der zehn Jahre zurückliegenden Artikelserie hatte er Eva auch diesmal wieder als Femme fatale porträtiert, als eine Frau, der jedes Mittel recht war, um sich von ihrer Abstammung aus einer Pflegefamilie zu befreien. Er hatte angedeutet, dass sie womöglich wieder in die Gegend gezogen war, um Rache an den Frauen zu nehmen, die gegen sie ausgesagt hatten.
Während er seinen
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