Das Flüstern der Albträume
Mütterchen.«
»Mütterchen?«
»Er meinte, sie würde ihn an seine Mutter erinnern.«
Garrison rieb sich den Nacken. »Micah Cross hat gesagt, die Mutter von ihm und Josiah sei gestorben, als sie ungefähr dreizehn waren.«
»Das kommt hin. Vor ein paar Tagen habe ich ihren Grabstein gesehen.«
»Sie waren an ihrem Grab?«
Eva zuckte die Achseln. »Ich wollte Josiahs Grab sehen. Die Gräber seiner Eltern sind daneben. Ich weiß nichts über seine Mutter.«
Garrisons Kreuz verspannte sich – ein Anzeichen, dass ihm etwas entging. Aber er kam nicht drauf. »Sie sollten die nächsten Tage nicht im Pub sein. Es ist dort nicht mehr sicher. Können Sie sonst irgendwo unterkommen?«
»Nein.«
»Was ist mit Angie?«
»Ich weiß nicht.«
»Sie ist Ihre Schwester.«
»Rufen Sie sie an, Eva. Sie wurde in dem Artikel nicht erwähnt, und fürs Erste dürfte es am sichersten für Sie sein, bei ihr zu wohnen.«
Eva spürte Detective Deacon Garrisons Gegenwart beinahe körperlich, während er sie zu ihrer Schwester fuhr. Er strahlte Kraft und Energie aus. Anstatt sie jedoch einzuschüchtern, machte seine Nähe sie ein wenig kurzatmig. Sie gestand sich ein, dass sie ihn gern um sich hatte.
Sie strich sich über die abgetragenen Jeans. »Danke, Detective.«
»Kein Problem. Und Sie können mich Deacon nennen, wenn Sie wollen.«
»Okay.« Um ihre Lippen lag der Anflug eines Lächelns. »Und hören Sie mit dem ›Ms Rayburn‹ auf. Eva genügt.«
»Gern.« Mühelos lenkte er den Wagen durch den Verkehr. »Angie sagte, sie würde bei sich zu Hause auf uns warten.«
»Ja. Sie war wirklich süß.« Die Besorgnis in der Stimme ihrer Schwester beschämte Eva immer noch. »Sie muss wieder zurück ins Gericht, aber sie meinte, ich kann so lange bleiben, wie ich will.«
»Gut.«
Garrison fuhr die von Bäumen gesäumte Straße entlang, und nach wenigen Minuten sahen sie das einstöckige Backsteinhaus. Der Rasen war ordentlich gemäht, doch in den Beeten gab es keine Blumen, und der Tisch unter der großen Eiche war voller Blätter. Als Garrison in der Kieseinfahrt hielt, trat Angie aus der Haustür. Ihr Haar war zu einem festen Knoten gebunden, und sie trug ein dunkles Kostüm.
Als Eva ausstieg, lächelte Angie und kam quer über den Rasen auf sie zu. Sie umarmte Eva. »Ich bin so froh, dass du angerufen hast.«
Eva sah ihrer Schwester ins Gesicht. »Bist du sicher? Falls es doch nicht passt …«
Angie drückte Evas Schulter. »Sag das nicht. Ich möchte dir helfen.«
Eva hatte einen Kloß im Hals. »Danke.«
»Ich wünschte, ich könnte dir alles zeigen, aber ich muss in einer halben Stunde im Gericht sein. Das zweite Zimmer rechts ist deins, und im Kühlschrank befindet sich das Nötigste.«
Garrison trat hinter Eva. »Danke.«
Angie sah zu ihm auf, in ihrem Blick keine Spur der Strafverteidigerin. »Danke, dass Sie sie dazu gebracht haben, mich anzurufen. Ich komme heute Abend erst spät zurück.« Sie küsste Eva auf die Wange und ging zu ihrem BMW , der am Straßenrand parkte.
Garrison blieb stehen, und Eva war froh darüber. »Möchten Sie, dass ich noch ein paar Minuten bleibe?«
Sie stieß einen Seufzer aus. »Das wäre wunderbar. Das alles ist ein bisschen seltsam für mich.«
»Ich mache Ihnen Kaffee, vorausgesetzt, Ihre Schwester hat welchen.«
Eva nickte, und gemeinsam gingen sie hinein. Im Wohnzimmer wärmte ein einzelner Teppich den Dielenboden. Darauf standen das Sofa, der Couchtisch und zwei Lehnstühle. Über dem schlichten Kamin hing ein Spiegel mit Goldrahmen, der das Licht aus den Glastüren zum Garten einfing.
»Einfach, geschmackvoll und ganz Angie«, meinte Eva. »Die Familie ihres Vaters schien immer etwas Besseres zu sein.«
»Sie beide sind Halbschwestern?«
»Ja. Angie hat die meiste Zeit bei ihrem Vater gelebt. Sie hat Mom und mich hin und wieder besucht. Als Mom gestorben ist, bin ich in eine Pflegefamilie gekommen. Angie ist an der Westküste aufs College gegangen.«
»Für Angies Vater kam es nicht infrage, Sie aufzunehmen?«
»Nein. Ich kenne die genauen Einzelheiten nicht, aber ich glaube, Mom hat ihn wegen meines Vaters verlassen, von daher hätte meine Anwesenheit wohl schlechte Erinnerungen wachgerufen.« Sie stellte ihren Rucksack neben das Sofa und ging in die Küche. Angie hatte das Licht angelassen. Die polierte Granitarbeitsplatte funkelte, und nur eine Mikrowelle und eine Kaffeemaschine standen darauf.
Eva öffnete einen Küchenschrank und fand Kaffee und
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