Das Flüstern der Albträume

Carlson hielt die Arme verschränkt und wippte mit der Fußspitze. Garrison sah den angespannten Zug um ihren Mund, außerdem fiel ihm auf, dass sie etwas zu viel abgenommen hatte. Normalerweise zeigte sie kein Gefühl, doch er vermutete, dass sie für ihre gleichmütige Art genau wie er einmal einen Preis bezahlt hatte.
    »Danke, meine Herren, dass sie gekommen sind«, sagte sie.
    Garrison nickte. »Wo ist Ihr Mandant?«
    Sie blickte auf die Uhr. »Er hat gesagt, er würde hier sein.«
    »Hoffen wir, dass er tatsächlich kommt und nicht unsere Zeit verschwendet«, sagte Garrison.
    Angie zog die Stirn kraus. »Ich habe genauso wenig Zeit für sinnlose Unternehmungen und habe ihm die Konsequenzen schon angedeutet.«
    »Gut.«
    Die drei warteten mehrere Minuten lang. Unbehagliches Schweigen machte sich breit. Endlich klingelte Angies Handy. Sie blickte auf die Nummer, runzelte erneut die Stirn und ging dran. »Lenny, wo sind Sie?« Sie lauschte, ihr Gesicht wurde noch finsterer. »Sie haben gesagt, Sie würden hier sein!« Sie hörte zu, dabei beugte und streckte sie die Finger ihrer linken Hand. »Klar, er steht neben mir.« Sie reichte Garrison das Telefon.
    Er nahm es entgegen. »Detective Garrison.«
    »Sind Sie wirklich Garrison?« Die furchtsame Stimme am anderen Ende der Leitung klang gehetzt und nervös.
    »Ja.« Er war Danvers einmal begegnet, als er noch beim Einbruchsdezernat gearbeitet hatte, und sah geradezu vor sich, wie der Typ sich mit seinen langen, knochigen Fingern durch das schüttere schwarze Haar fuhr. »Was haben Sie für mich, Mr Danvers?«
    »Ich will einen Deal.«
    In Garrisons Wange zuckte ein Muskel. »Sie hatten gesagt, Sie würden herkommen.«
    »Damit Sie mich einbuchten? Das konnte ich nicht riskieren. Unterschreiben Sie eine Vereinbarung, dann treffen wir uns.«
    »Sagen Sie mir erst, was Sie haben.«
    Danvers lachte leicht. »Ich will was Schriftliches, bevor ich rede.«
    Garrison sah zu Angie Carlson hinüber, die ihn mit versteinertem Gesicht anstarrte. Er legte die Hand über den Hörer. »Sie haben versprochen, dass er herkommt.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das hatte er mir auch gesagt.«
    Garrison verkniff sich einen Fluch und sagte dann zu Danvers: »Rufen Sie mich an, wenn Sie bereit sind zu reden. Ich gebe Ihnen jetzt wieder Ihre Anwältin.«
    Malcolm stieß sich vom Wagen ab. »Ich wusste doch, dass nichts dabei herauskommen würde.«
    Angie schob das Kinn vor und sagte so laut, dass Danvers es hören konnte: »Er ist nicht mein Mandant. Er hat seine letzte Rechnung nicht bezahlt, und ich habe überhaupt noch nicht gesagt, dass ich ihn weiter vertrete.«
    »Sieht so aus, als hätten Sie die Arschkarte gezogen. Kein Deal und keine Anwältin. Ein schönes Leben noch, Danvers.« Garrison beendete das Gespräch.
    Malcolm zog beide Augenbrauen hoch, sagte aber nichts.
    Angie beugte sich erwartungsvoll vor, doch sie war eine zu kluge Anwältin, um auszusprechen, was sie dachte.
    Schweigend warteten sie, und schon nach wenigen Sekunden läutete das Handy erneut. Garrison reichte es Angie. »Ich glaube, das ist Ihr Mandant.«
    Sie klappte es auf. »Angie Carlson.« Mit ausdrucksloser Miene sah sie die beiden Detectives an. »Sie haben Glück. Er wollte gerade wegfahren, aber ich glaube, ich kann ihn noch aufhalten.« Sie wartete einen Augenblick, dann gab sie Garrison das Handy.
    »Machen Sie es kurz, Danvers. Sie vergeuden meine Zeit.«
    »Okay. Okay. Ich war Samstagnacht in einem Haus. Schönes Haus. Ordentlich gemähter Rasen. Sah so aus, als wären die Leute verreist. Genau mein Fall, Sie wissen schon.«
    »Reden Sie weiter.«
    »Ich geh rein, und das Haus ist völlig leer. Nichts, kein einziges Möbelstück. Ich wollte gerade wieder gehen, da hab ich so was wie ein Stöhnen von unten gehört. Ich dachte erst, ich hätte mich geirrt, und dann hab ich es wieder gehört. Es war ein grässliches Geräusch. Wie von einem verwundeten Tier. Ich bin weiter in die Küche, weil ich nach der Kellertreppe schauen wollte. Und dann hat mich jemand von hinten niedergeschlagen. Als ich aufgewacht bin, war ich gefesselt, und eine Frau hat geschrien. Ich hab was Verbranntes gerochen. Wie Fleisch. Ich hab mich befreit und bin so schnell wie möglich abgehauen.«
    Garrison starrte zum grauen Horizont. »Sie haben die schreiende Frau zurückgelassen?«
    »Ich hatte Angst.«
    »Und Sie haben nicht die Polizei gerufen?«
    »Wie gesagt, ich hatte Angst.«
    Angst, dass sein armseliger Arsch wegen