Das Flüstern der Albträume
während er weiterarbeitete. Beide taten so, als wäre es ein ganz normaler Tag und als würde dieses Kind, das aus dem Nichts zu ihnen gekommen war, samt seinem Bagel dort an das Tischende gehören.
»Gute Entscheidung.« Sie aß einen Bissen. »Was steht denn heute Abend auf der Speisekarte?«
King lachte. »Kartoffeln. Chickenwings und die üblichen Burger und Chili Hotdogs. Gute Kneipenkost.« Die Auswahl im Pub war begrenzt, aber das Essen war »billig und gut«, wie King zu sagen pflegte.
»Sag Bescheid, was heute zu erledigen ist. Ich habe keine Vorladungen abzuliefern.«
»Ach ja, dieser Typ, Luke, hat übrigens angerufen. Er wollte wissen, wie der Auftrag gelaufen ist. Außerdem meinte er, die Cops hätten sich bei ihm gemeldet und gefragt, ob du gestern Abend einen Auftrag hattest.«
Garrison hatte keine Zeit verloren. »Ich rufe ihn zurück.«
King warf ihr über die Brille hinweg einen ärgerlichen Blick zu. »Ich mag den Kerl nicht.«
Sie wollte sich nicht wieder auf die alte Diskussion einlassen und stopfte sich ein Stück Bagel in den Mund. »Er ist okay.«
»Er bringt dich in Gefahr. Er gibt dir die schlimmsten Aufträge, die er zu vergeben hat. Fast so, als wollte er, dass du in Schwierigkeiten gerätst.«
»Das sind die am besten bezahlten Jobs.«
»Weil niemand sie will, Eva. Außerdem«, sagte er und senkte die Stimme, »ist er ein bisschen zu vertraulich mit dir.«
»Was heißt das?«, fragte Bobby.
»Er will was von Eva«, antwortete King.
»Daraus wird nichts«, sagte Eva. Ihr Leben war im Moment schon kompliziert genug, auch ohne einen Mann, der es zusätzlich durcheinanderbrachte.
Ihr wurde bewusst, dass Bobby ihrem Wortwechsel mit King folgte, als wäre es ein Tennismatch. Sie zuckte die Achseln und lächelte den Jungen schnell an. »Ich rufe ihn heute Vormittag an.«
King schluckte seine Erwiderung hinunter, als er Bobbys Blick auffing. Er brummte etwas und verfiel mehrere Minuten lang in Schweigen, dann sagte er: »Wie lief es denn heute Morgen?« Mit Rücksicht auf Bobby erwähnte er den Brand nicht.
»Gut«, antwortete Eva mit einem Seitenblick auf den Jungen, der sie beide immer noch anstarrte und ihre Unterhaltung zu verstehen versuchte. »Ich habe nichts Neues gehört.«
»Wirklich?«
Sie neigte den Kopf in Richtung des Kindes. »Vielleicht versuche ich es später noch mal.«
King grunzte, ganz offensichtlich unzufrieden. »Vielleicht besser morgen.«
Eva brach ein Stück von ihrem Bagel ab, aß es aber nicht. »Ich kann auch heute gehen.«
King zuckte die Schultern. »Nur keine Eile. Da fällt mir ein«, sagte er, »du hast einen Brief bekommen. Er ist gestern mit der Post gekommen. Ich habe ihn heute Morgen aus dem Postfach geholt.«
Er wühlte unter seiner großen weißen Schürze in der Hosentasche, zog einen zerknitterten braunen Umschlag heraus und reichte ihn ihr.
Ihre Stirn kräuselte sich, als sie die ungelenke Handschrift sah. Ihr Name, Kings Postfach und kein Absender. Wer konnte wissen, dass sie im King’s wohnte?
Sie wollte sich nicht unnötig den Kopf zerbrechen, riss den Umschlag mit dem Daumennagel auf und zog einen ordentlich zusammengefalteten Zeitungsartikel heraus. Das Papier war brüchig und an den Rändern vergilbt.
Der Artikel war zehn Jahre alt, und die Überschrift lautete: S TUDENTINNENWOHNHEIMBEI B RANDZERSTÖRT .
Evas Blutdruck ging in den Keller, ihr wurde schwindelig. Sie betrachtete den Umschlag und forschte nach einem Absender. Da war nur ein Poststempel von Alexandria, sonst nichts.
Noch einmal las sie die Titelzeile. S TUDENTINNENWOHNHEIMBEI B RANDZERSTÖRT . Sie drehte das Blatt um, und auf der Rückseite stand, mit roter Tinte geschrieben: Tu Buße.
Buße? Wofür? Sie hatte zehn Jahre im Gefängnis verbracht und für Sünden gebüßt, von denen sie inzwischen nicht mehr so sicher war, dass sie sie begangen hatte. Jetzt baute sie sich ein neues Leben auf. Wofür sollte sie büßen? Statt Angst zu bekommen, wurde sie wütend. Irgendjemand in der Stadt hatte sie erkannt, erinnerte sich an ihre Geschichte und fand es lustig, ihr einen Streich zu spielen. Empörung stieg in ihr auf.
»Schlechte Neuigkeiten?«, fragte King.
Sorgfältig faltete Eva das Blatt zusammen. »Nur eine Rechnung.«
»Wie kannst du eine Rechnung bekommen? Du gibst doch nie etwas aus.«
»Mach dir deswegen keine Gedanken.« Sie stopfte den Artikel in die Gesäßtasche ihrer Jeans.
King grunzte. »Stimmt irgendwas nicht?«
»Doch. Alles in
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