Das Flüstern der Albträume
Eltern hatten sie mit einem roten Glitzerherz begraben, das er ihr erst wenige Wochen vor ihrem Tod geschenkt hatte. »Er hat ihr etwas bedeutet, sonst hätte sie ihn weggeworfen, so wie sie es mit allen anderen persönlichen Dingen in ihrer Wohnung getan hat.«
Ein paar Steinchen auf dem Stern fehlten. »Wer auch immer ihr den Anhänger geschenkt hat, es muss lange her sein.«
»Es muss etwas sehr Persönliches sein, sonst hätte sie ihn nicht versteckt. Ich dachte eigentlich, einer ihrer Verehrer wäre ihr Mörder, aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.«
Garrison schüttelte den Kopf. »Im Moment habe ich keinen Schimmer. Aber wir müssen diesen Code entziffern lassen und herausfinden, was es war, das Lisa Black vor der Welt verbergen wollte.«
Es klopfte an der Wohnungstür, und Garrison ging durch den Flur nach vorne, um aufzumachen. Vor der Tür stand der Hausmeister, einen Stoß Briefe in der Hand.
Garrison runzelte die Stirn. »Ich habe doch gesagt, ich hole die Post.«
»Ich habe den Schlüssel gefunden und dachte, ich könnte helfen. Ich will helfen.«
Mit zusammengebissenen Zähnen nahm Garrison die Post entgegen. Es war unmöglich, herauszufinden, ob Pemberton etwas aus dem Briefkasten hatte verschwinden lassen.
Garrison passierte zügig die Kreuzung zwischen der Interstate 95 und der Umgehungsstraße, wo sich der Verkehr normalerweise staute. Die Stelle war trotz baulicher Verbesserungen, die Millionen gekostet hatten, selbst an guten Tagen im Berufsverkehr regelmäßig verstopft. Nach einem Unfall oder bei schlechtem Wetter ging dann gar nichts mehr. Doch um beinahe neun Uhr abends gab es nur wenig Verkehr.
Starker Geruch nach Desinfektionsmittel schlug Garrison und Malcolm entgegen, als sie die Metalltüren des Autopsieraums in der Pathologie aufstießen. Der grau geflieste Fußboden glänzte matt, und Leuchtstoffröhren tauchten den Raum in helles Licht. Dr. Amanda Henson, eine große, schlanke Frau mit kastanienbraunem Haar, stand neben einem Stahltisch, auf dem Lisa Blacks nackter Körper lag. In dem grellen Licht wirkten die sternförmigen Male noch leuchtender und zorniger. Dr. Henson hatte gerade den Y-Schnitt im Brustkorb des Opfers durchgeführt und durchtrennte nun mit einer Zange die erste Rippe.
Die Pathologin war erst Mitte dreißig, frisierte ihre Locken aber in einen festen Knoten, wie man ihn normalerweise eher bei älteren Frauen sah. Ihre dunkle Hornbrille umrahmte lebhafte blaue Augen und bildete einen Kontrast zu den Sommersprossen in ihrem ungeschminkten Gesicht. Sie trug immer weiße Dansko-Clogs und verzichtete auf Schmuck. Hohe Wangenknochen, volle Lippen und die schlanke Figur unter dem formlosen Kittel verhinderten, dass sie unscheinbar wirkte, und Männer fragten sich, wie sie wohl aussah, wenn sie sich zurechtmachte.
»Gerade rechtzeitig, meine Herren.« Eine Rippe knirschte.
Malcolm steckte eine Hand in die Hosentasche und gab sich alle Mühe, locker zu wirken, aber Garrison wusste inzwischen, dass diese Geste der inneren Wappnung diente. »Die Show würde ich um keinen Preis verpassen wollen.«
»Was haben Sie denn inzwischen herausgefunden?«, fragte Garrison.
»Ich habe die Temperatur ihrer Leber gemessen und kann Ihnen sagen, dass sie am späten Samstagabend oder Sonntag früh gestorben ist. Sie hat vier abgegrenzte, sternförmige Brandmale auf dem Körper. Drei Messereinstiche in Brust und Bauch. Sie ist nicht an den Brandmalen gestorben, und ich bezweifle, dass die Stichwunden sie getötet haben.« Die Ärztin deutete auf einen Einschnitt am Hals des Opfers. »An dem hier ist sie gestorben. Die Halsschlagader wurde verletzt.«
»Welche Art Messer verursacht solche Verletzungen?«
»Lang. Gezackte Klinge.«
»Und die Brandmale?«
»Wurden ihr mindestens ein paar Stunden bis einen Tag vor den Einstichen zugefügt. Derjenige, der das getan hat, hatte es nicht eilig.«
»Auf welche Weise hat er es gemacht?«
Die Ärztin legte die Zange beiseite, zog die Handschuhe aus und drückte ein paar Tasten auf ihrem Computer. Der Bildschirm wechselte von einem Sandstrand zum Foto eines der Brandmale. »Ich würde sagen, der Mörder hat ein metallenes Brenneisen benutzt, das er in einem Feuer erhitzt hat.«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Garrison. »Es gibt auch elektrische Brenneisen.«
Dr. Henson fuhr mit der Fingerspitze einen Teil des Bildes nach. »Spuren von Asche in den Wunden. Bei einer elektrischen Wärmequelle wäre kein Feuer nötig
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