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Das Flüstern der Albträume

Das Flüstern der Albträume

Titel: Das Flüstern der Albträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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Züge ließen Eva nach Luft schnappen. »Josiah.«
    »Micah«, sagte er.
    Evas Verstand kam ins Straucheln, stolperte und fing sich wieder. Sie erkannte, dass in den intensiven blauen Augen Neugier und Traurigkeit lagen, nicht Zorn und Hass. »Entschuldige. Du hast mich überrumpelt.«
    Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem scheuen Lächeln. »Tut mir leid, Eva.«
    »Es ist lange her.«
    Sein Blick glitt kurz an ihr hinab. »Du siehst toll aus.«
    Das brachte Eva zum Lachen. Micah war schon immer ebenso freundlich gewesen, wie Josiah grausam gewesen war. »Ich rieche nach dem Tagesgericht, und wahrscheinlich habe ich auch einiges davon auf meiner Kleidung.«
    Abwesend nahm Micah den Salzstreuer in die Hand und stellte ihn dann ordentlich neben den Pfeffer. »Beides steht dir gut.«
    Evas Abwehr schmolz dahin, wodurch sie sich schutzlos fühlte. Micahs Familie hatte ihr übel mitgespielt, hatte ihr so viel Lebenszeit geraubt. Nur eine Närrin würde einem Angehörigen dieser Familie gegenüber etwas anderes empfinden als Furcht. »Was führt dich hierher?«
    »Die Polizei hat mir von Lisa und Sara erzählt.«
    »Traurige Geschichte.«
    Micah verschränkte die langen Finger und legte die Hände auf den Tisch. »Ich hätte angenommen, dass du die beiden immer noch hasst.«
    »Ich habe den Hass lange mit mir herumgeschleppt, aber die Last wurde mir irgendwann zu schwer.« Eva sah sich um. Ihr war nicht wohl dabei, über ihre Vergangenheit zu sprechen, besonders hier, wo niemand über sie Bescheid wusste. »Ich bin seit sechs Monaten wieder hier.«
    »Ich wünschte, du hättest dich bei mir gemeldet.«
    Das brachte sie aus dem Konzept. »Wäre das nicht etwas seltsam gewesen? Nach allem, was passiert ist?«
    Micahs Gesicht verdüsterte sich. »Ich habe dir immer sagen wollen, wie leid mir das alles getan hat. Ich hätte nie gedacht, dass Josiah so weit gehen würde.« In seinen Worten lag ein Anflug von Zorn, der sie überraschte. »Ich hätte es vorhersehen müssen. Ich hätte wissen müssen, dass er etwas im Schilde führte.«
    Für Josiahs Verhalten hatte es eine Million Warnsignale gegeben, die bis zum Schluss ignoriert oder vertuscht worden waren.
    Micah legte die Fingerspitzen aneinander. »Ich war sein Zwillingsbruder. Manchmal konnte ich beinahe seine Gedanken lesen. Ich wusste, dass er es auf dich abgesehen hatte.«
    Eva erinnerte sich, wie Josiah sie angestarrt hatte, wenn er ins Verbindungshaus gekommen war. Sein Blick hatte dann so lange auf ihr geruht, dass ihre Haut zu jucken begann. Sie schaute sich um, und da keiner ihrer Gäste sie zu brauchen schien, setzte sie sich Micah gegenüber an den Tisch. »Warum ich?«
    »Du warst intelligent, stark, und du hast Kristen geholfen. Je stärker sie wurde, desto weniger brauchte sie Josiah. Das hat er dir übel genommen.«
    Zorn stieg in Eva auf. »Wieso hast du nie etwas gesagt?«
    »Vater hat mich während des Prozesses weggeschickt.«
    »Was ist mit davor oder danach? Die Anwälte deines Vaters haben es so aussehen lassen, als hätte ich es darauf angelegt.«
    »Mein Schweigen macht mir am meisten zu schaffen. Deshalb bin ich hier. Um dir zu sagen, dass es mir leidtut.«
    Eva schüttelte den Kopf. »Micah, ›Tut mir leid‹ klingt so armselig und schwach.«
    »Ich weiß, aber es tut mir wirklich leid. Ich würde alles tun, um es wieder gutzumachen.«
    Bobby kam die Treppe heruntergerannt und schoss in den Gastraum. Zum ersten Mal sah Eva den Jungen durch und durch vergnügt. Sie staunte. Er benahm sich wie ein ganz normales Kind. Ein starker Drang, ihn zu beschützen, stieg in ihr auf. Sie würde seine Kindheit behüten, so gut sie konnte.
    Bobbys räumliche Nähe zu Micah schnürte Eva den Atem ab. Micah hatte ihr nichts getan, aber er war ein Cross, und wie ihre Mutter immer gesagt hatte: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
    Als der Junge in die sichere Küche sauste, gelang es Eva schließlich zu sagen: »Das Einzige, was du für mich tun kannst, ist, den Pub zu verlassen und nie mehr wiederzukommen.«
    »Ich will es wieder gutmachen.«
    »Das ist unmöglich.« Jemand rief nach Eva, und dankbar blickte sie zu den Frauen hinüber, die offensichtlich gehen wollten und ungeduldig darauf warteten, zahlen zu können. »Micah, ich muss weiterarbeiten.«
    Ehe er antworten konnte, erhob sie sich und ging zu dem Frauentisch hinüber. Die ganze Zeit spürte sie Micahs Blick auf sich ruhen. Er schien sich in sie hineinzubohren, und ihre Haut kribbelte vor

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