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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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und deren Schülerinnen, doch dann trudelten auch Gared und die anderen Holzfäller ein, ihre Äxte mit den Siegeln auf den Schultern, gefolgt von Erny und den anderen Bannzeichnern im Tal, die ihre Lehrlinge mitbrachten. Kurz darauf kamen Rojer und Benn der Glasbläser. Immer mehr Menschen fanden sich ein, bis der Hof gedrängt voll war; Leesha hatte gar nicht genug Übernachtungsmöglichkeiten, um alle unterbringen zu können. In weiser Voraussicht hatten einige Zelte mitgebracht, in denen sie nach dem Unterricht schlafen konnten.
    Nicht wenige der Besucher verrieten Anzeichen von Nervosität, als die Sonne sich dem Horizont näherte, aber sie vertrauten auf Leesha und die Kraft ihrer Siegel. Laternen beleuchteten den Steintisch, um den sich die Leute scharten.
    Als die Dunkelheit hereinbrach, stiegen ein paar nebelhafte Umrisse aus dem Boden, doch die Horclinge suchten das Weite, sobald sie stoffliche Gestalt angenommen hatten. Sie hatten gelernt, wie gefährlich es war, Leeshas Siegel zu attackieren. Der Versuch, eine Bresche hineinzuschlagen, konnte schlimmere
Folgen nach sich ziehen als nur zurückgeschleudert zu werden.
    Der Tätowierte Mann ließ auch nicht mehr lange auf sich warten; er marschierte neben seinem gigantischen Hengst her. Über dem Rücken des Pferdes hingen die Kadaver einiger Dämonen.
    Rasch machten sich die Bannzeichner ans Werk und öffneten kurzfristig eine Lücke im Siegelnetz, damit der Tätowierte Mann die toten Horclinge hindurchbefördern konnte. Dann war der Moment gekommen, in dem die Holzfäller tätig wurden. Sie wuchteten die Kadaver auf den Steintisch, während die Bannzeichner das Siegelnetz wiederherstellten.
    »Das ging ja schnell«, meinte Leesha, als der Tätowierte Mann sich zu ihr gesellte.
    Lässig zuckte er die Achseln. »Du wolltest ein Exemplar von jeder Sorte. Das war keine große Herausforderung.«
    Leesha lächelte und griff nach ihren Skalpellen, die mit Siegeln bedeckt waren. »Und jetzt bitte ich um äußerste Aufmerksamkeit!«, rief sie mit lauter Stimme, während sie sich anschickte, als Erstes den Baumdämon zu sezieren. »Der Unterricht hat begonnen.«

    Für die Besucher, die über Nacht geblieben waren, gab es am nächsten Morgen ein gemeinsames Frühstück. Gleich nach dem Unterricht waren die Holzfäller gegangen, angeführt vom Tätowierten Mann, um das, was sie gerade gelernt hatten, durch praktische Anwendung zu vertiefen; aber die meisten Leute zogen es vor, bis zum Sonnenaufgang hinter den Siegeln, die Leeshas Hütte schützten, zu bleiben.
    Leesha ließ ihre Schülerinnen in einem großen Bottich Hafergrütze kochen, und den Tee brühte sie gleich kesselweise auf. Sie verteilten die Essschalen und Trinkbecher, als die Gäste anfingen,
aus ihren Zelten zu kriechen und sich nach dieser langen Nacht den Schlaf aus den Augen zu reiben.
    Rojer hatte sich von allen abgesondert, hockte vor der Hütte auf der Veranda und stimmte seine Fiedel.
    »So allein dazusitzen sieht dir gar nicht ähnlich«, wunderte sich Leesha. Sie reichte ihm eine Schale mit Hafergrütze und setzte sich neben ihn.
    »Eigentlich bin ich gar nicht hungrig«, erklärte Rojer und rührte lustlos mit dem Löffel in dem Brei.
    »Kendall wird wieder gesund werden«, versicherte Leesha ihm. »Ihre Genesung macht gute Fortschritte, und sie gibt niemandem die Schuld für das, was passiert ist.«
    »Vielleicht sollte sie es aber tun«, entgegnete Rojer.
    »Du hast ein einzigartiges Talent«, meinte Leesha. »Du kannst nichts dafür, dass es so schwer an andere weiterzugeben ist.«
    »Glaubst du das wirklich?«, erwiderte Rojer zerstreut. Leesha sah ihn neugierig an, doch anstatt dieses Thema näher zu erörtern, wandte er sich von ihr ab und starrte auf den Hof hinaus. »Du hättest es mir ruhig sagen können.«
    »Was meinst du?«, fragte sie, obwohl sie ganz genau wusste, was in ihm vorging.
    »Von dir und Arlen. Dass ihr was miteinander hattet.«
    »Ich finde, dass dich das nichts angeht.«
    »Aber Kendalls Liebestränke gehen dich was an, oder?«, erwiderte Rojer gereizt. »Vielleicht bin ich gar kein so schlechter Lehrer. Vielleicht war das Mädchen in Gedanken bei dem süßen Tee, anstatt sich voll und ganz auf die Dämonen zu konzentrieren.«
    »Jetzt bist du ungerecht«, versetzte Leesha. »Ich wollte dir einen Gefallen tun.«
    Rojer funkelte sie erbost an und bleckte die Zähne; noch nie hatte sie ihn so wütend gesehen, es sei denn, er spielte vor Publikum eine Rolle. »Nein! Du

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