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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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das gebracht?«, versetzte Harl. »Ich hätte dich sofort bestrafen sollen; damit du merkst, dass ich es ernst meine.«
    Er verpasste ihr einen derben Stoß, und Renna fiel in den Abort; sie prallte hart gegen den Sitz und verletzte sich am Rücken. Ohne auf die Schmerzen zu achten stürmte sie nach vorn, um zu flüchten, aber als sie hochschnellte, schlug Harl ihr mit der Faust mitten ins Gesicht und ihr wurde schwarz vor Augen.

    Ein paar Stunden später kam Renna wieder zu sich. Zuerst wusste sie nicht, wo sie war, doch die Stiche in ihrem Rücken, wo sie gegen den Sitz geknallt war, und die Wange, die bei jeder Bewegung ihres Gesichts fürchterlich schmerzte, brachten die Erinnerungen wieder zurück. In panischer Angst riss sie die Augen auf.
    Harl hörte, wie sie schrie und gegen die Tür hämmerte; er kam herbei und klopfte scharf mit dem Griff seines Messers an die Wand. »Sei still da drin! Das ist nur zu deinem Besten!«
    Renna beachtete ihn nicht, sondern fuhr fort, zu kreischen und gegen die Tür zu treten.
    »Ich an deiner Stelle würde das hübsch sein lassen!«, donnerte Harl in einer Lautstärke, die ihr hysterisches Toben übertönte. »Die Bretter sind alt und morsch, und wenn die Sonne untergeht, sollten sie noch ganz sein. Tritt weiter dagegen, und du verschiebst die Siegel.«

    Sofort wurde Renna still.
    »Bitte«, schluchzte sie durch die verriegelte Tür. »Lass mich nicht über Nacht hier draußen. Ich mache auch alles, was du willst!«
    »Natürlich wirst du parieren, zum Horc nochmal!«, fluchte Harl. »Wenn die Nacht vorbei ist, jagst du den Burschen selbst vom Hof, sollte er sich noch einmal hier blickenlassen!«

    Es war brütend heiß in dem winzigen Abort, und es stank bestialisch nach Exkrementen. Zwar gab es eine Entlüftung, aber Renna wagte es nicht, die Klappe zu öffnen, aus Angst, im Siegelnetz könnte eine Lücke entstehen. In dem Jauchefass, das in der Grube unter der kruden Sitzbank steckte, summten lärmend die Fliegen.
    Durch die Ritzen im Holz sah Renna, wie es langsam dunkel wurde, als die Sonne unterging. Sie hoffte, betete immer noch, Harl würde zurückkommen und sie herausholen, dass er ihr nur einen Schreck einjagen wollte, doch als der letzte Lichtschimmer erlosch, starb auch ihre Hoffnung. Draußen tauchten die ersten Horclinge auf. Sie fasste in ihre Schürzentasche und umklammerte die polierten Steine der Halskette, die Cobie ihr geschenkt hatte.
    Lautlos erschienen die Dämonen; die Hitze des Tages, die vom Boden hochstieg, erleichterte ihnen den Weg aus dem Horc, sagte man, und in diesem Augenblick waren ihre nebelhaften Gestalten dabei, sich zu Leibern mit Krallen, Schuppen und rasiermesserscharfen Zähnen zu verfestigen. Rennas Herz klopfte als wollte es aus ihrer Brust springen.
    An der Aborttür ertönte ein schnüffelndes Geräusch. Renna erstarrte und biss sich ängstlich auf die Lippe; in der Stille konnte sie hören, wie Tatzen im Dreck des Hofs scharrten und der Horcling
scharf die Luft einsog, als er die Ausdünstung ihrer Furcht bemerkte.
    Plötzlich fing der Dämon an zu kreischen und attackierte heftig die Siegel. Magische Blitze zuckten, ihr Schein drang durch die Spalten im Holz und beleuchtete das Innere des Aborts. Renna schrie wie eine Wahnsinnige, bis sie das Gefühl hatte, es würde ihr die Kehle zerreißen.
    Die Siegel hielten stand, aber der Dämon ließ nicht locker. Sie hörte das Klatschen ledriger Schwingen, und dieses Mal flammte Magie vom Dach auf. Der gesamte Abort wackelte unter dem Aufprall, und wieder schrie Renna sich die Lunge aus dem Leib, während Staub und Schmutz auf sie herabrieselten.
    Immer und immer wieder griff der Winddämon an, vor Wut kreischend, weil seine Beute so nah und gleichzeitig unerreichbar war. Jedes Mal trieben die Siegel den Dämon zurück, aber die Erschütterungen brachten den Abort zum Schwanken, und das brüchige Holz stöhnte protestierend. Wie vielen Angriffen konnte es noch standhalten?
    Endlich gab der Horcling seine erfolglosen Attacken auf. Renna hörte das Knattern der Schwingen und die leiser werdenden Schreie, als er auf der Suche nach einer leichteren Beute davonrauschte.
    Aber damit war die Tortur noch nicht zu Ende. Über kurz oder lang fing jeder Horcling im Hof ihre Witterung auf. Zitternd ließ sie die Fontänen aus magischen Funken über sich ergehen, wenn Flammendämonen mit ihren winzigen Krallen das Holz zerschrammten, und fröstelte unter dem Schwall eiskalter Luft, der entstand,

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