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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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echten Genüsse des Lebens«, bedauerte Cholls. »Und was ist mit dir, Rojer? Weißt du einen guten Tropfen zu schätzen?«
    Rojer schmunzelte. »Arrick war mein Lehrer, oder?« Er nahm den nächsten Schluck aus seinem Becher, ließ das Getränk im Mund hin und her rollen und kostete das Aroma aus, das bei jedem Ausatmen seine Nüstern kitzelte. »Ich habe schon Branntwein getrunken, da wuchsen an meinen Samenkapseln noch keine Haare.«

    Cholls gluckste vor sich hin, kramte abermals in seinem Schreibtisch und legte beinahe andächtig einen Lederbeutel mit Schmokkraut auf die Tischplatte.
    »Im Tal wird doch geraucht, oder?«, wandte sich Rojer an Gared, der zwischendurch immer wieder hustete. Der Holzfäller nickte.
    Der Gildemeister zuckte zusammen und starrte Rojer entgeistert an. »Hast du gerade gesagt ›im Tal‹?«
    »Ay«, bestätigte Rojer, nahm sich eine Prise aus dem Beutel und stopfte das Kraut in eine Pfeife, die er in seiner verstümmelten Hand hielt. »Du hast dich nicht verhört.«
    Cholls riss Mund und Augen auf. » Du bist der Fiedelmagier des Tätowierten Mannes?«
    Rojer nickte, entzündete an der Schreibtischlampe eine lange, schmale Kerze und zog an der Pfeife, bis das Kraut anfing zu glühen.
    Cholls lehnte sich zurück und starrte Rojer verblüfft an. Nach eine Weile nickte er. »Eigentlich sollte mich das nicht wundern. Ich fand schon immer, dass deine Musik etwas Magisches an sich hat.«
    Rojer reichte ihm die Kerze, und nachdem Cholls seine eigene Pfeife angezündet hatte, gab der die Flamme an Gared weiter.
    Eine Zeit lang rauchten sie schweigend, bis Cholls sich aufrecht hinsetzte, seine Pfeife ausklopfte und sie in den kleinen hölzernen Ständer auf seinem Schreibtisch zurücksteckte. »Nun ja, Rojer, du kannst den ganzen Tag lang gemütlich dasitzen, aber ich leite eine Gilde. Du willst mir also erzählen, dass du dich gerade im Tal der Holzfäller aufgehalten hast, als der Tätowierte Mann dort eintraf?«
    »Ich war nicht nur dort, als er ankam, ich und Leesha Papiermacher haben ihn begleitet.«
    »Ist das die sogenannte Bannhexe?«, fragte Cholls.
    Rojer nickte.

    Cholls zog die Augenbrauen zusammen. »Wenn du mir hier irgendein Märchen auftischst, Rojer, das du dir im Bierdusel ausgedacht hast, dann schwöre ich bei der Sonne, dass ich dich …«
    »Das ist keine Erfindung«, betonte Rojer. »Jedes Wort ist die reine Wahrheit.«
    »Wir beide wissen, dass wir hier von einer Geschichte reden, für die jeder Jongleur einen Mord begehen würde«, entgegnete Cholls. »Lass uns also direkt zur Sache kommen. Wie viel verlangst du dafür?«
    »Geld reizt mich nicht mehr, Gildemeister.«
    »Erzähl mir jetzt bloß nicht, dass du eine Art religiöser Erleuchtung hattest«, spottete Cholls. »Arrick würde sich im Grab umdrehen. Dieser Tätowierte Mann mag ja in einer Jongleurvorstellung Publikum anziehen, aber du glaubst doch nicht wirklich, dass er der Erlöser ist, oder?«
    Man hörte ein lautes Knacken, und als beide Männer in die Richtung blickten, aus der das Geräusch kam, sahen sie, dass unter Gareds Griff eine Armstütze seines Stuhls abgebrochen war. »Er ist der Erlöser!«, grollte Gared. »Und ich verprügele jeden, der das leugnet!«
    »Du wirst nichts dergleichen tun!«, fauchte Rojer. »Er selbst streitet doch ab, dass er der Erlöser ist, und wenn du nicht friedlich bleibst, erzähle ich ihm, was für einen Narren du aus dir machst!«
    Einen Moment lang starrte Gared ihn wütend an und Rojer spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. Doch er setzte nur selbst eine zornige Miene auf und gab keinen Zoll nach. Nach einer Weile beruhigte Gared sich wieder und streifte den Gildemeister mit einem beschämten Blick.
    »Tut mir leid, dass ich den Stuhl kaputt gemacht hab«, murmelte er und versuchte halbherzig, die Armstütze wieder anzubringen.

    »Äh … das ist nicht so schlimm«, erwiderte Cholls. Rojer wusste, dass der Stuhl mehr Geld gekostet hatte als die meisten Jongleure in ihrem ganzen Leben je ansparen konnten.
    »Ich bin nicht der Richtige, um zu entscheiden, ob er nun der Erlöser ist oder nicht«, fuhr Rojer fort. »Noch im letzten Jahr hielt ich die Geschichten vom Tätowierten Mann für reine Hirngespinste. Ich selbst habe nicht wenige erfunden, während ich über die Dörfer zog und die Leute unterhielt.« Er lehnte sich zum Gildemeister vor. »Aber es gibt ihn wirklich und wahrhaftig. Er tötet Dämonen mit seinen bloßen Händen und ist mit

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