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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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rief Leesha und schlug die Hände vor den Mund. Aber Rojer ließ sich nicht ablenken.
    »Dem Felsendämon folgte ein Rudel Flammendämonen, die an seinen Beinen vorbei ins Haus flitzten, während er den Türrahmen zerschmetterte, um durch die Öffnung zu passen. Meine Mutter riss mich in ihre Arme, und alle fingen gleichzeitig an zu schreien, aber ich weiß nicht mehr, was gesagt wurde, außer…« Er schluchzte und Leesha musste gegen den Drang ankämpfen, zu ihm zu gehen.
    Doch Rojer fing sich schnell wieder. »Geral warf Arrick seinen Schild mit den Siegeln zu und befahl ihm, meine Mutter und mich in Sicherheit zu bringen. Er selbst griff nach seinem Speer, mein Vater packte einen eisernen Schürhaken vom Kamin, und beide versuchten dann, die Horclinge aufzuhalten.«
    Danach schwieg Rojer eine geraume Weile. Als er wieder anfing zu sprechen, hatte seine Stimme einen kalten, monotonen Klang, der keinerlei Gefühle preisgab. »Meine Mutter rannte zu
Arrick, doch der stieß sie zur Seite, schnappte sich seine Magische Tasche und flüchtete aus dem Raum.«
    Leesha rang nach Luft, und zur Bekräftigung nickte Rojer. »Wirklich und wahrhaftig. Arrick half mir nur, weil meine Mutter mich zu ihm in das Fluchtloch schob, kurz bevor die Dämonen sie holten. Und selbst dann noch wollte er mich im Stich lassen.«
    Er streckte die Hand nach Arricks Magischer Tasche aus, und seine Finger wanderten über den abgewetzten Samt und die rissigen Lederflecken. »Damals war die Tasche nicht schäbig und verschlissen. Arrick stand in Rhinebecks Diensten, und diese Tasche war prächtig und neu, wie es einem Herzoglichen Herold gebührt.
    Das ist die Wahrheit über Arricks Tapferkeit «, stieß er durch zusammengebissene Zähne hervor. »Er hat eine Tasche voller Spielzeug gerettet!« Mit seiner unversehrten Hand griff er nach der Tasche und umklammerte sie so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. »Eine Tasche, die ich überallhin mitschleppe, als ob sie für mich genauso wichtig wäre!« Er riss die Tasche hoch und hielt sie Leesha vors Gesicht. Dann huschte sein Blick zu dem prasselnden Feuer, und er taumelte um den Schreibtisch herum zum Kamin.
    »Roger, nein!«, schrie Leesha, sprang ihm in den Weg und packte die Tasche. Rojer hielt sie so fest, dass sie sie ihm nicht entreißen konnte, aber er versuchte auch nicht, sich an ihr vorbeizudrängen. Rojers Augen waren so weit aufgerissen wie die eines in die Enge getriebenen Tieres. Kurzerhand schloss Leesha ihn in die Arme, er barg sein Gesicht an ihrem Busen und weinte sich die Seele aus dem Leib.
    Als sein krampfhaftes Schluchzen endlich abebbte, ließ sie ihn los, aber Rojer klammerte sich weiterhin an sie. Seine Augen waren geschlossen, doch sein Mund näherte sich dem ihren. Hastig rückte sie von ihm ab, musste Rojer jedoch auffangen, als er taumelte und um ein Haar hingefallen wäre.
    »Es tut mir leid«, nuschelte er.

    »Schon gut«, erwiderte sie in tröstendem Ton und bugsierte ihn an den Schreibtisch zurück. Er ließ sich schwer auf den Sessel plumpsen und hielt dann den Atem an, als wolle er seinen rebellierenden Magen beruhigen. Sein Gesicht war kalkweiß und von einem Schweißfilm bedeckt.
    »Trink meinen Tee«, schlug Leesha vor. Dann nahm sie ihm die Magische Tasche ab, die er ihr ohne Widerstand überließ. Sie stellte die Tasche in eine dunkle Ecke, weit weg vom Feuer, und hob Arricks Goldmedaillon vom Fußboden auf.
    »Warum hat er es zurückgelassen?«, grübelte Rojer mit Blick auf das Medaillon. »Als der Herzog uns rauswarf, nahm er aus unseren Räumlichkeiten alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. Das Medaillon hätte er verkaufen können, so wie den ganzen anderen Krempel, den er im Laufe der Jahre verhökert hat, während wir uns nur mit Müh und Not über Wasser gehalten haben. Mit dem Erlös hätten wir mehrere Monate lang unser Quartier und unser Essen bezahlen können. Bei der Nacht, das Geld hätte ausgereicht, um jeden Schenkenwirt in dieser Stadt zufriedenzustellen, bei dem Arrick in der Kreide stand, und seine Trinkschulden waren nicht gering, das kannst du mir glauben.«
    »Vielleicht war ihm bewusst, dass er die Medaille nicht verdient hat«, überlegte Leesha. »Möglicherweise hat er sich für sein schändliches Verhalten geschämt.«
    Rojer nickte. »Das denke ich auch. Und aus irgendeinem Grund macht das alles nur noch schlimmer. Ich will ihn hassen …«
    »Aber er war wie ein Vater zu dir, und du bringst es nicht über

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