Das Flüstern der Nacht
Shanjat.
Nach einer Verneigung stürmte Hasik davon.
»Bist du dir sicher, dass das ein weiser Entschluss ist, Erlöser?«, gab Ashan zu bedenken. »Es könnte gefährlich werden, wenn du dich im Feindesland von deiner Streitmacht trennst.«
»Für jemanden, der den Sharak Ka kämpft, ist die Gefahr allgegenwärtig«, versetzte Jardir. Er legte Ashan eine Hand auf die Schulter. »Aber wenn du so besorgt bist, darfst du mich begleiten, mein Freund.«
Ashan verbeugte sich tief.
»Das ist unbesonnen«, grollte Aleverak. »Tausend schwächliche chin können selbst die Speere des Erlösers überwältigen.«
Jayan schnaubte. »Das bezweifle ich sehr, alter Mann.«
Aleverak sah Jardir an, der zustimmend nickte. Der greise Damaji streckte den Arm nach Jayan aus, und plötzlich lag der Junge auf dem Rücken.
»Dafür bringe ich dich um, alter Mann!«, schäumte Jayan, der sich flink auf die Füße abrollte.
»Versuche es, Knabe«, forderte Aleverak ihn heraus, nahm eine sharusahk -Stellung ein und winkte Jayan zu sich. Jayan bleckte die Zähne und wollte sich auf ihn stürzen, doch im letzten Moment besann er sich und warf einen Blick auf seinen Vater.
Jardir schmunzelte. »Fang ruhig an. Versuche, ihn zu töten.«
Ein bösartiges Lächeln legte sich über Jayans Gesicht, doch Sekunden später lag er schon wieder auf dem Boden. Aleverak zog an seinem Arm, um den Druck seiner Ferse auf Jayans Luftröhre langsam zu erhöhen.
»Genug«, bestimmte Jardir schließlich. Sofort ließ Aleverak den Jungen los und zog sich zurück. Hustend stand Jayan auf.
»Auch meine eigenen Söhne müssen einem Damaji Respekt zollen«, warnte Jardir. »Du wärest klug beraten, wenn du dich in Zukunft mäßigen würdest.«
Er wandte sich an Aleverak. »Während meiner Abwesenheit werden die Damaji Everams Füllhorn regieren, und du leitest den Rat.«
Aleverak kniff die Augen zusammen, als überlege er, ob er seinen Protest fortsetzen solle oder nicht. Schließlich verneigte er sich tief vor Jardir. »Wie der Shar’Dama Ka befiehlt. Wer spricht für die Kaji, bis Damaji Ashan zurückkehrt?«
»Mein Sohn, dama Asukaji«, erwiderte Ashan. Asukaji war noch keine achtzehn, aber bereits alt genug für die weiße Robe; das hieß, dass er alt genug war für den schwarzen Turban, wenn er sich bewährte.
Jardir nickte. »Und sofern Jayan sich in Demut übt, wird er als Sharum Ka dienen.«
Alle Augen richteten sich auf Jayan, dessen Miene seine Bestürzung widerspiegelte. Nachdem er sich von seiner Überraschung erholt hatte, fiel er auf ein Knie nieder und legte eine Hand auf
den Boden, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben. »Selbstverständlich gehorche ich dem Rat der Damaji .«
Sein Vater nickte zufrieden. »Sorgt dafür, dass die geringeren Stämme damit weitermachen, die chin zu unterwerfen, während ich fort bin«, wandte er sich an Asukaji und Aleverak. »Ich brauche frische Krieger für den Sharak Ka , und keine untereinander zerstrittenen Stämme, die sich gegenseitig die Brunnen stehlen.« Beide Männer verbeugten sich.
Inevera erhob sich von ihren Kissen; ihr Gesicht hinter dem transparenten Schleier zeigte heitere Gelassenheit.
»Ich möchte mit meinem Gemahl unter vier Augen sprechen«, erklärte sie.
Ashan verneigte sich. »Wie du wünschst, Damajah .« Er lotste die anderen rasch aus dem Raum, bis auf Asome, der sich nicht vom Fleck rührte.
»Bekümmert dich etwas, mein Sohn?«, fragte Jardir, als die anderen gegangen waren.
Asome verbeugte sich. »Wenn Jayan während deiner Abwesenheit Sharum Ka ist, sollte ich von rechts wegen Andrah sein.«
Inevera lachte. Asome bekam schmale Augen, aber er war vernünftig genug, sich ihr nicht zu widersetzen.
»Das würde dich über deinen älteren Bruder erheben, mein Sohn«, erklärte Jardir. »Zu so etwas lässt sich kein Vater leichten Herzens hinreißen. Außerdem wird ein Sharum Ka ernannt. Den Titel des Andrah hingegen muss man sich verdienen.«
Asome zuckte mit den Schultern. »Rufe die Damaji zusammen. Ich töte sie alle, wenn das erforderlich ist.«
Jardir sah seinem Sohn in die Augen; er las in ihnen Ehrgeiz, aber auch einen wilden Stolz, der den knapp achtzehn Jahre alten Jungen eines Tages tatsächlich befähigen könnte, elf Zweikämpfe auf Leben und Tod zu bestehen, selbst wenn er dabei einen seiner eigenen Brüder töten musste, oder Asukaji, seinen besten Freund, der Gerüchten zufolge auch sein Geliebter war. Asomes weiße
Robe verbot ihm den Gebrauch von
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