Das Flüstern der Nacht
Waffen, doch er war weitaus gefährlicher als Jayan, und auch Aleverak war gut beraten, wenn er im Umgang mit ihm Vorsicht walten ließ.
Jardir war stolz auf den Jungen. Er glaubte jetzt schon, dass sein zweitgeborener Sohn sich vermutlich besser eignete, einmal sein Nachfolger zu werden, doch vorher musste er noch viel Erfahrung sammeln, und sein Erstgeborener, Jayan, würde niemals zulassen, dass sein Bruder ihn überflügelte.
»Solange ich lebe, braucht Krasia keinen Andrah «, erwiderte er. »Und Jayan trägt nur so lange den weißen Turban, wie ich fort bin. Du wirst Asukaji dabei helfen, die Kaji im Griff zu behalten.«
Abermals klappte Asome den Mund auf, doch Inevera gebot ihm Einhalt.
»Jetzt ist es genug«, erklärte sie. »Die Entscheidung ist getroffen. Lass uns allein.«
Asome verzog unwillig den Mund, aber er verbeugte sich und ging.
»Eines Tages wird aus ihm ein großer Anführer werden, falls er lange genug am Leben bleibt«, meinte Jardir, nachdem die Tür sich hinter seinem Sohn geschlossen hatte.
»Dasselbe denke ich oft von dir, mein Gemahl«, erwiderte Inevera und drehte sich zu ihm um. Ihre Worte kränkten ihn, aber er sagte nichts. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit ihr zu streiten, bevor sie nicht ausgesprochen hatte, was ihr am Herzen lag.
»Aleverak und Ashan haben Recht«, begann sie. »Es ist nicht nötig, dass du die Expedition persönlich anführst.«
»Gehört es nicht zu den Pflichten des Shar’Dama Ka , Heere für den Sharak Ka auszuheben?«, fragte er. »Wenn die Schilderungen zutreffen, kämpfen diese chin den Heiligen Krieg. Dem muss ich nachgehen. Ich will wissen, was an diesen Gerüchten dran ist.«
»Du hättest zumindest mit deiner Entscheidung warten können, bis ich eine Gelegenheit hatte, die Würfel zu befragen«, tadelte sie ihn.
Jardir furchte die Stirn. »Du brauchst nicht jedes Mal, wenn ich den Palast verlasse, die Würfel zu befragen.«
»Vielleicht ist es doch nötig«, widersprach sie. »Der Sharak Ka ist kein Spiel. Wenn wir siegen wollen, müssen wir jeden Vorteil nutzen.«
»Wenn es Everams Wunsch ist, dass ich siege, brauche ich keine weiteren Vorteile mehr. Und wenn Er es nicht will …«
Inevera griff nach ihrem Filzbeutel mit den alagai hora . »Bitte, tu mir den Gefallen.«
Jardir seufzte, aber er nickte, und sie zogen sich in eine Kammer neben dem Thronsaal zurück, die Inevera für sich beansprucht hatte. Wie immer war der Raum angefüllt mit bunten Kissen und süßlichem Weihrauchduft. Jardir merkte, wie sein Puls sich beschleunigte; er verband diesen Geruch mit Ineveras Körper. Wenn die Jiwah Ka befriedigt war, teilte sie ihn bereitwillig mit anderen Frauen, aber sie liebte fast genauso leidenschaftlich und hungrig wie ein Mann, und das Seitengemach wurde oft zu diesem Zweck benutzt, häufig sogar dann, wenn die Damaji und Jardirs Ratgeber nebenan im Thronsaal auf ihren Shar’Dama Ka warteten.
Inevera zog die Vorhänge vor, und er bewunderte ihre Figur unter den zarten Schleiern, die sie jetzt nur noch trug. Selbst mit über vierzig - ihr genaues Alter hatte sie ihm nie verraten - war sie immer noch bei weitem die schönste seiner Gemahlinnen; ihre weiblichen Kurven waren immer noch rund und straff, ihre Haut makellos glatt. Er war versucht, sie auf der Stelle zu nehmen, aber wenn die Würfel befragt werden sollten, ließ Inevera sich durch nichts ablenken, und er wusste, dass sie ihn abweisen würde.
Sie knieten auf den Seidenkissen, wobei sie für die Würfel ausreichend Platz freiließen. Für den Zauber benötigte Inevera sein
Blut, und mit ihrem Messer, das mit Siegeln bedeckt war, ritzte sie flink seine Haut ein. Nachdem sie die Klinge sauber geleckt hatte, steckte sie sie in das Futteral an ihrem Gürtel zurück; dann presste sie ihre Handfläche auf die Wunde und ließ die Würfel in die blutige hohle Hand fallen. Die alagai -Knochen glühten intensiv im Dunkeln, als sie die Hände schüttelte und die Würfel auswarf.
Die alagai hora verstreuten sich über den Boden, und Inevera prüfte sie schnell. Jardir wusste, dass das Muster, nach dem sie sich verteilten, genauso wichtig war wie die Symbole, die sie zeigten, aber damit endete auch schon sein Verständnis der Würfel. Er hatte oft erlebt, wie seine Gemahlinnen sich über die Bedeutung eines Wurfs stritten, obwohl keine es wagte, Ineveras endgültige Auslegung infrage zu stellen.
Die Damajah zischte ärgerlich, als sie das Muster sah und blickte Jardir scharf
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