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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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folgte Jardir hinaus auf die Veranda. »Wonda, begleite unseren Gast in die Stadt zurück«, rief sie. »Gared, du kannst mit dem Holzhacken weitermachen, bis der ganze Stapel zerkleinert ist.«
    Gared grunzte missmutig und schnappte sich Wondas Axt, während das Mädchen und Jardir sich auf den Weg machten. Rojer glotzte Leesha an, die mit einem Kopfnicken auf ihre Tür deutete. Sie betrat die Hütte und er folgte ihr; dann setzte sie sich in Brunas Schaukelstuhl und legte sich das Umhängetuch um. Kein gutes Zeichen.
    »Wie hat er es aufgenommen, als du ihm einen Korb gegeben hast?«, fragte Rojer, ohne sich hinzusetzen.
    Leesha lachte. »Ganz gut. Er sagte mir, ich solle mir die Zeit nehmen, gründlich über seinen Antrag nachzudenken. Außerdem hat er mich eingeladen, mit ihm nach Rizon zu gehen.«
    »Das kommt gar nicht infrage!«
    Leesha wölbte eine Augenbraue. »Du hast genauso wenig zu entscheiden, wen ich heirate, wie meine Mutter, Rojer.«
    »Soll das heißen, dass du seine Frau werden willst?«, empörte er sich. »Nachdem ihr einmal zusammen Tee getrunken habt, und nach diesem äußerst peinlichen Mittagessen?«
    »Selbstverständlich nicht!«, wehrte Leesha ab. »Ich habe keineswegs die Absicht, seinen Antrag anzunehmen.«
    »Und warum, zum Horc, willst du dich ihm dann ausliefern?«, schrie Rojer.
    »Vor unserer Türschwelle steht eine Armee«, erklärte ihm Leesha. »Siehst du nicht ein, wie wichtig es ist, uns mit eigenen Augen davon zu überzeugen, was genau sich abspielt? Wir können ihre Zelte zählen und Rückschlüsse auf die Stärke der Streitmacht ziehen; und wir erhalten die einmalige Gelegenheit, zu erfahren, wie ihr Anführer denkt, was für ein Mensch er ist.«
    »Aber das darf nicht auf Kosten unserer eigenen Anführerin gehen«, hielt Rojer ihr vor. »Herzog Rhinebeck reist ja auch nicht
persönlich nach Miln, um festzustellen, was Euchor ausheckt. Er entsendet Spione.«
    »Ich habe keine Spione.«
    Rojer schnaubte durch die Nase. »Du hast mehr als tausend Rizoner, die dir ihr Leben verdanken, und viele von ihnen mussten Familienangehörige zurücklassen. Ein paar von ihnen könnte man sicherlich dazu überreden, heimzukehren und Augen und Ohren offen zu halten.«
    »Ich würde niemals Menschen dazu bringen, sich in Gefahr zu begeben.«
    »Aber dein eigenes Leben riskierst du?«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ahmann mir etwas antut.«
    »Noch vor zwei Tagen war er der Dämon aus der Wüste!« Rojer steigerte sich immer mehr in seine Wut hinein. »Und jetzt ist er Ahmann? Was ist los mit dir? Gefällt dir jeder Mann, der glaubt, er sei der Erlöser?«
    Leesha funkelte ihn empört an. »Ich will nichts mehr davon hören, Rojer!«
    »Es interessiert mich nicht, was du willst!«, fauchte Rojer. »Du hast doch gehört, wie die Krasianer Frauen behandeln. Egal, was diese ölige Schlange dir vorsäuselt, in dem Augenblick, in dem ihr außer Reichweite unserer Bogenschützen seid, bist du sein Eigentum, und jeder, der dich begleitet, kriegt einen Speer ins Auge!«
    »Dann kommst du also nicht mit?«, fragte Leesha.
    »Bei der Nacht, hast du mir denn überhaupt nicht zugehört?«, ereiferte sich Rojer.
    »Ich habe jedes Wort gehört, aber ich gehe trotzdem. Wenn Ahmann wirklich so heimtückisch ist, wie du es ihm unterstellst, dann lässt sich ein Krieg nicht vermeiden, und was wir tun und lassen ist unerheblich. Doch falls der Hauch einer Chance besteht, dass er das, was er uns bei Tisch sagte, aufrichtig meint, finden wir vielleicht eine Möglichkeit, in Frieden miteinander zu leben,
ohne uns gegenseitig umzubringen. Und das ist für die Zukunft der Welt wesentlich wichtiger als das Schicksal einer Leesha Papiermacher.«
    Seufzend ließ sich Rojer auf einen Stuhl plumpsen. »Wann brechen wir auf?«

Teil IV
    Der Ruf des Horc

26
    Rückkehr nach Tibbets Bach
    333 NR - Sommer
     
     
    D er Tätowierte Mann war in düsterer Stimmung, als Fort Miln in der Ferne verschwand. Das Glücksgefühl, das ihn getragen hatte, als er Ragens und Elissas Villa verließ, war seit seinem Treffen mit Jaik verschwunden. In Gedanken ging er ihr Gespräch immer und immer wieder durch; die Worte, die er hätte sagen sollen, fielen ihm zu spät ein und konnten den bohrenden Zweifel nicht ausräumen, dass sein Freund vielleicht Recht hatte.
    Um sich abzulenken, las er in dem Buch, das Ronnell ihm mitgegeben hatte, doch die Lektüre brachte ihm keinen Trost. Leeshas eifersüchtig gehütete Geheimnisse des Feuers

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