Das Flüstern der Nacht
die verschiedensten Dinge, doch von dem Par’chin war nie wieder die Rede. Dass Leesha sich in diesem Punkt ausschwieg, verriet Abban genug.
Durch den holpernden Wagen zu einem langsamen Tempo gezwungen, konnten die dal’Sharum ihren Streitrössern nicht die Zügel schießen lassen, als die Sonne unterging, und somit hätten sie den Dämonen ein Angriffsziel geboten. Ahmann gab den Befehl, anzuhalten und ein Lager einzurichten. Abban stellte gerade sein Zelt auf, als Ahmann ihn zu sich rufen ließ.
»Wie verlief dein erster Tag mit ihr?«, fragte er.
»Sie ist sehr gescheit«, erwiderte Abban. »Ich begann damit, ihr einfache Sätze beizubringen, doch innerhalb weniger Minuten zerlegte sie bereits die Satzstrukturen. Wenn wir in Everams Füllhorn
ankommen, wird sie in der Lage sein, sich jedem vorzustellen und über das Wetter zu reden, und im Laufe des Winters dürfte sie unsere Sprache fließend beherrschen.«
Ahmann nickte. »Es ist Everams Wille, dass sie unsere Sprache lernt.«
Abban zuckte nur mit den Schultern.
»Was hast du sonst noch erfahren?«, drängte Ahmann.
Abban schmunzelte. »Sie isst mit Vorliebe Äpfel.«
»Äpfel?«, wiederholte Ahmann verwirrt.
»Eine Frucht des Nordens, die an Bäumen wächst.«
Ahmann runzelte die Stirn. »Du unterhältst dich den ganzen Tag lang mit der Frau und bringst nur in Erfahrung, dass sie gern Äpfel isst?«
»Rot und knackig müssen sie sein, frisch vom Baum gepflückt. Sie klagt, dass die Äpfel selten geworden sind, seit so viele zusätzliche Mäuler gestopft werden müssen.« Abbans Grinsen vertiefte sich, während Ahmann eine finstere Miene aufsetzte. Dann griff Abban in seine Tasche und holte ein Stück Obst heraus. »Äpfel wie dieser hier.«
Ahmanns Lächeln reichte fast von einem Ohr bis zum anderen.
Als Abban Ahmanns Zelt verließ, nagten an ihm leise Gewissensbisse, weil er verschwiegen hatte, wie Leesha reagiert hatte, als er ihr von dem Par’chin erzählte. Er hatte nicht gelogen, aber er hatte auch nicht die volle Wahrheit gesagt. Wieso es zu dieser Unterlassung kam, konnte sich Abban selbst nicht erklären. Auch wenn er noch so sehr in den Tiefen seines Herzens forschte, er wusste es nicht. Der Par’chin war sein Freund, so viel stand fest, doch wenn es um Geschäfte ging, hörte bei Abban die Freundschaft auf, und sein persönliches Wohlergehen war untrennbar daran geknüpft, dass es Ahmann gelang, den Norden zu erobern. Das Beste wäre, wenn Ahmann den Par’chin möglichst schnell finden und töten würde, denn dann hätte er das vielleicht größte Hindernis beseitigt, das seinen Plänen, die Grünen Länder zu unterwerfen,
im Weg stand. Der Sohn des Jeph war ein Feind, den kein Mann unterschätzen durfte.
Doch Abban hatte als khaffit überlebt, indem er Geheimnisse für sich behielt und geduldig abwartete, bis der rechte Augenblick kam, um von ihnen zu profitieren. Und auf der ganzen Welt gab es kein Geheimnis, das brisanter war als dieses.
Leesha rührte in einem Kochtopf, als Jardir in ihren Bannzirkel trat. Wie der Tätowierte Mann, so durchquerte auch er voller Gelassenheit die nicht mit Siegeln geschützten Gebiete in dem provisorischen Lager der Krasianer. Um die Schultern trug er Leeshas Tarnumhang, aber er hatte ihn zurückgeschlagen, so dass er ihn nicht vor den Augen der Horclinge verbarg.
Aber vermutlich brauchte er auch keinen Schutz, es sei denn, von oben erspähte ihn ein Winddämon. Die dal’Sharum machten sich einen Sport daraus, Felddämonen zu jagen, die sich nach Sonnenuntergang im Lager herumtrieben. Die Kadaver dieser verkümmerten Nebenlinie der Baumdämonen warfen sie auf einen großen Haufen, der im Morgengrauen lichterloh brennen würde, wenn die ersten Sonnenstrahlen die toten Horclinge entzündeten.
»Darf ich dir an deinem Feuer Gesellschaft leisten?«, fragte Jardir auf Thesanisch.
»Selbstverständlich, Sohn des Hoshkamin«, antwortete Leesha in seiner Sprache. Wie Abban es ihr beigebracht hatte, brach sie ein Stück von einem frischen Brotlaib ab und hielt es ihm entgegen. »Teile das Brot mit uns.«
Jardir lächelte und nahm mit einer tiefen Verbeugung das Brot an.
Auch Rojer und die anderen zog es ans Feuer, um sich ihre Essensrationen abzuholen, doch nach einem vielsagenden Blick von
Leesha trollten sie sich wieder. Nur Elona blieb in Hörweite, was Jardir für ein Gebot der Schicklichkeit zu halten schien, obwohl Leesha dieses Spionieren hasste.
»Deine Kost verwöhnt auch jetzt wieder
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