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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Verkrüppelung entweder lustig oder man ignorierte sie völlig. Ein khaffit war es nicht wert, dass man sich über ihn Gedanken machte. Niemandem wäre es auch nur im Traum eingefallen, sich nach seiner Krankheit zu erkundigen.
    »Nein, ich wurde mit zwei gesunden Beinen geboren. Die Verletzung zog ich mir während des Hannu Pash zu.«
    »Hannu Pash?«, hakte Leesha nach.
    Abban lächelte zufrieden. »Es bietet sich geradezu an, jetzt mit dem Unterricht zu beginnen«, fand er. Umständlich kletterte er auf den Wagen und setzte sich schwerfällig neben sie. »In deiner Sprache bedeutet es ›Lebensweg‹. Alle krasianischen Knaben werden ihren Müttern schon in sehr jungen Jahren weggenommen und in den Sharaj ihres Stammes gebracht … das ist eine Art Kaserne. Dort sollen sie erfahren, ob Everam sie zu Sharum , dama oder khaffit bestimmt hat.«
    Mit der Krücke klopfte er gegen sein lahmes Bein. »Das hier war unvermeidlich. Aus mir wäre nie ein Krieger geworden, das war mir vom ersten Tag an klar. Ich war der geborene khaffit , und die Strapazen des Hannu Pash bewiesen es.«
    »Unsinn!«
    Abban schüttelte den Kopf. »Ahmann dachte ähnlich wie du.«
    »Ach, wirklich?«, fragte Leesha überrascht. »Ich wäre nie drauf gekommen, so wie er dich behandelt.«
    Abban nickte. »Ich bitte dich, ihm dies nachzusehen, Meisterin. Mein Gebieter wurde am selben Tag wie ich zum Hannu Pash berufen, und immer wieder kämpfte er gegen Everams Hand, schleppte mich gewissermaßen auf seinem Rücken durch den Kaji’sharaj .
Er gab mir eine Chance nach der anderen, doch jedes Mal, wenn ich auf die Probe gestellt wurde, habe ich ihn enttäuscht.«
    »Ging es bei diesen Prüfungen denn gerecht zu?«, wollte Leesha wissen.
    Abban lachte. »Auf Ala geht es niemals gerecht zu, Meisterin, und am wenigsten im Leben eines Kriegers. Entweder man ist schwach, oder man ist stark. Blutrünstig oder fromm. Tapfer oder feige. Der Hannu Pash enthüllt das innerste Wesen eines Mannes, und zumindest in meinem Fall kam der wahre Kern zum Vorschein. In meinem Herzen bin ich kein Sharum .«
    »Dafür brauchst du doch nicht zu schämen«, fand Leesha.
    Abban lächelte. »Richtig, und ich schäme mich auch nicht. Ahmann kennt meinen Wert, aber es würde … Anstoß erregen, wenn er mir vor den anderen Männern mit Freundlichkeit begegnete.«
    »Freundlichkeit kann nie verkehrt sein«, entschied Leesha.
    »Das Leben in der Wüste ist hart, Meisterin. Und genauso sind die Menschen, die in ihr überleben müssen. Ich bitte dich, verurteile uns nicht, bevor du uns nicht besser kennengelernt hast.«
    Leesha nickte. »Deshalb komme ich ja mit euch. Und jetzt erlaube mir, dich zu untersuchen. Vielleicht kann ich dir Linderung für dein Bein verschaffen.«
    Vor Abbans geistigem Auge blitzte flüchtig das Bild auf, wie Ahmann zufällig an dem Karren vorbeikäme, während Abban seine Seidenhose herunterzog, damit Leesha ihn untersuchen konnte. Danach wäre sein Leben keinen Sack voll Sand mehr wert.
    Abban winkte ab. »Ich bin ein khaffit , Meisterin. Du solltest deine Aufmerksamkeit nicht an mich verschwenden.«
    »Du bist ein Mensch wie jeder andere auch«, korrigierte Leesha ihn, »und wenn du deine Zeit mit mir verbringen willst, dann sage so etwas nie wieder. Abfällige Bemerkungen dieser Art dulde ich nicht.«

    Abban verbeugte sich. »Ich kannte mal einen Mann aus den Grünen Ländern, der dieselbe Einstellung hatte wie du«, erzählte er, bemüht, einen beiläufigen Ton in seine Stimme zu legen.
    »Ach? Wie hieß er denn?«
    »Arlen, Sohn des Jeph, von der Strohballen-Sippe aus Tibbets Bach«, antwortete Abban. An ihren Augen sah er, dass sie den Namen kannte, obwohl ihr Gesicht keinerlei Gemütsregung verriet.
    »Tibbets Bach liegt ziemlich weit von hier entfernt, im Herzogtum Miln«, erklärte sie. »Ich hatte noch nie das Vergnügen, jemanden von dort kennenzulernen. Wie war er denn so, dieser Arlen Strohballen?«
    »Unter meinen Leuten kannte man ihn als den Par’chin , was übersetzt ›tapferer Fremder‹ bedeutet. Er fühlte sich im Basar genauso zu Hause wie im Labyrinth der Sharum . Leider verließ er unsere Stadt vor ein paar Jahren und kehrte nie wieder zurück.«
    »Vielleicht triffst du ihn ja eines Tages wieder.«
    Abban zuckte mit den Schultern. » Inevera. So Everam will, würde ich mich freuen, meinen Freund wiederzusehen und zu wissen, dass er wohlauf ist.« Den Rest des Tages fuhren sie zusammen auf dem Wagen und unterhielten sich über

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