Das Flüstern der Nacht
scharfen Entgegnung, doch in diesem Moment trat Inevera zu ihnen, und sie schluckte herunter, was immer sie zu sagen hatte.
»Mein Gemahl!«, flötete Inevera, schlang ihre Arme um ihn und küsste ihn ausgiebig. »Ich habe deine wärmende Nähe in meinem Bett so sehr vermisst.«
Im ersten Moment stutzte Jardir, doch dann sah er, wie Ineveras Blicke dauernd zu Leesha schossen, und er fühlte sich beschmutzt, als hätte ein Hund sein Bein an ihm gehoben und ihn markiert.
»Erlaube, dass ich dir meine geehrten Gäste vorstelle«, begann er. »Meisterin Leesha, Tochter des Erny, Oberste Kräutersammlerin vom Stamm der Talbewohner.« Bei der Nennung des Titels verengten sich Ineveras Augen zu schmalen Schlitzen; zuerst funkelte sie Jardir böse an, danach Leesha.
Leesha wahrte eine bewundernswerte Gefasstheit. Seelenruhig hielt sie Ineveras Blick stand, spreizte ihre Röcke weit ab und sank in einen tiefen Knicks, wie es bei den Frauen im Nordland Sitte war. »Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen, Damajah .«
Ineveras Lächeln und Verneigung waren ebenso unergründlich, und in diesem Moment wusste Jardir, dass Abban Recht hatte. Niemals würde Inevera diese Frau als eine Jiwah Sen akzeptieren, und sie würde es ganz sicher nicht einfach hinnehmen, wenn Jardir sie trotzdem heiratete und ihr Rechte über die Frauen des Nordens einräumte.
»Ich möchte mit meinem Gemahl unter vier Augen sprechen«, erklärte Inevera, und Jardir nickte. Nun, da der Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung gekommen war, wollte er sie nicht länger aufschieben. Er dankte Everam, dass die Sonne noch hoch am Himmel stand und sie bei diesem Licht ihre hora -Magie nicht anwenden konnte.
»Abban, kümmere dich darum, dass der Spiegelpalast für Meisterin Leesha und ihr Gefolge bereitgestellt wird. Während der Dauer ihres Aufenthaltes hier werden sie dort wohnen«, sagte er auf Krasianisch. Für eine Frau wie Leesha war der Palast kein angemessenes Domizil, doch eine bessere Unterkunft hatte Everams Füllhorn nicht zu bieten; drei Stockwerke, üppig dekoriert mit Teppichen, Wandbehängen und versilberten Spiegeln.
»Ich glaube, zur Zeit hat Damaji Ichach den Spiegelpalast in Besitz genommen«, wandte Abban ein.
»Dann wird Damaji Ichach sich nach einer neuen Wohnstätte umsehen müssen«, versetzte Jardir.
Abban verneigte sich. »Ich verstehe.«
»Bitte entschuldige mich«, sagte Jardir und beugte sich zu Leesha hinunter. »Ich muss mich mit meiner Gemahlin beraten. Abban geleitet euch zu eurem Quartier. Wenn ihr euch eingerichtet habt, statte ich dir einen Besuch ab.«
Leesha nickte, eine kühle Geste, die ihn warnte, dass hinter der äußerlichen Gelassenheit ein Feuer loderte. Jardirs Puls beschleunigte sich, und ihr Anblick verlieh ihm Kraft, als er mit Inevera seinen Palast betrat.
»Wozu hast du diese Frau hierhergebracht?«, fiel Inevera über ihn her, sobald sie in ihrem Kissenzimmer neben dem Thronsaal allein waren.
»Haben dir das deine alagai -Knöchelchen nicht erzählt?« Jardir grinste höhnisch.
»Natürlich haben sie das«, begehrte Inevera auf, »aber ich klammere mich an die Hoffnung, dass sie sich dieses eine Mal geirrt haben und du nicht so ein Idiot bist!«
»Ehebündnisse haben meine Machtstellung in Krasia gefestigt«, erklärte Jardir. »Ist es da so abwegig, anzunehmen, dass sie im Nordland dasselbe bewirken könnten?«
»Die Nordländerinnen sind chin , mein Gemahl«, fauchte Inevera. »Gut genug, um mit den dal’Sharum Kinder zu zeugen, aber unter ihnen gibt es keine einzige Frau, die es wert wäre, deinen Samen in sich zu tragen.«
»Das sehe ich anders«, widersprach Jardir. »Diese Leesha gehört zu den würdigsten Frauen, die mir je begegnet sind.«
Inevera funkelte ihn wütend an. »Nun, das spielt keine Rolle. Die Würfel haben sich gegen sie ausgesprochen, und ich werde dieser Verbindung nicht zustimmen.«
»Deine Meinung kümmert mich nicht. Ich werde sie trotzdem heiraten.«
»Das kannst du nicht tun. Ich bin Jiwah Ka , und ich entscheide, welche Frau du noch heiraten darfst.«
Jardir schüttelte den Kopf. »Du bist meine krasianische Jiwah Ka . Leesha wird meine Jiwah Ka des Nordlandes sein und
über all meine Gemahlinnen aus den Grünen Ländern herrschen.«
Inevera starrte ihn so verblüfft an, dass er einen Moment lang befürchtete, die Augen könnten ihr aus dem Kopf fallen. Dann stieß sie ein schrilles Kreischen aus und stürzte sich mit ihren langen, lackierten Fingernägeln
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