Das Flüstern der Nacht
der Verlockung dieser wunderbaren Schlafstatt nicht widerstehen, und sein Kopf sank in die Umarmung des Kissens zurück.
Dann ging die Tür auf. Rojer blinzelte mit einem Auge, als eine von Abbans Gemahlinnen, oder eine seiner Töchter - er konnte sie nicht voneinander unterscheiden - ins Zimmer trat. Sie war wie alle Frauen in weite schwarze Gewänder gekleidet, die nur die Augen freiließen, doch in seiner Gegenwart hielt sie die Lider gesenkt.
»Du hast Besuch, Sohn des Jessum«, meldete die Frau.
Sie zog die schweren Samtvorhänge zurück, und Rojer entfuhr ein gequältes Stöhnen; mit einer Hand schirmte er seine Augen ab, als helles Licht durch die Fenster seines aufwendig ausgestatteten Schlafgemachs flutete. Leesha bewohnte allein eine ganze Etage der großen Villa, aber Rojer hatte man immerhin einen kompletten Flügel des zweiten Geschosses zur Verfügung gestellt; so viele Räume hatte es nicht einmal in dem Gasthof gegeben, den seine Eltern in Flussbrücke betrieben hatten. Elona hatte vor Wut geschäumt, als sie erfuhr, mit welchem Komfort die Krasianer ihn verwöhnten; ihr selbst hatte man lediglich eine Schlafkammer und ein Wohnzimmer zugestanden, auch wenn diese Räumlichkeiten es nicht an Luxus vermissen ließen.
»Wie spät ist es?«, fragte Rojer. Er fühlte sich als hätte er höchstens ein, zwei Stunden geschlafen.
»Kurz nach Sonnenaufgang«, antwortete die Frau.
Rojer stöhnte wieder. Er hatte nicht mal eine Stunde geschlafen. »Sag meinem Gast, wer immer es auch sein mag, er soll später
wiederkommen«, trug er der Frau auf und ließ sich wieder auf seine Matratze zurückfallen.
Die Frau verneigte sich tief. »Das kann ich nicht tun, Gebieter. Es handelt sich um die Damajah . Du musst sie unverzüglich empfangen.«
Rojer schoss kerzengerade in die Höhe, alle Gedanken an Schlaf waren vergessen.
Im gesamten Palast herrschte Betriebsamkeit, als Rojer sich endlich präsentabel genug fühlte, um seine Gemächer zu verlassen. Mit Hilfe der Utensilien aus seinem Schminkkasten hatte er die Ringe unter seinen Augen kaschiert, das glänzende rote Haar war gebürstet und im Nacken zusammengebunden. Er trug seine beste bunte Jongleurkluft.
Die Damajah, summte es in seinem Kopf. Was zum Horc will sie von mir?
Im Korridor wartete Gared auf ihn und heftete sich sofort an seine Fersen. Rojer konnte nicht leugnen, dass er sich in Begleitung dieses Hünen sicherer fühlte, und als er die Treppe erreichte, kamen Leesha und Wonda von oben herunter, gefolgt von Erny und Elona.
»Was mag sie im Schilde führen?«, überlegte Leesha. Sie hatte nicht mehr Schlaf bekommen als er, doch man sah es ihr weniger an, obwohl sie weder Schminke noch Puder aufgetragen hatte.
»Und wenn du mich auf den Kopf stellst«, meinte Rojer, »von mir kannst du keine Antwort erwarten.«
Sie alle folgten Rojer die Treppe hinunter, und er kam sich vor, als führe er die kleine Prozession an den Rand eines Abgrunds. Rojer war ein Unterhaltungskünstler und es deshalb gewohnt, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, aber das hier war grundlegend anders. Er fasste sich mit der Hand an die Brust und
umklammerte durch sein Hemd das Medaillon. Diese Berührung beruhigte ihn etwas, während er sich von Abbans Frauen in den Hauptempfangssaal führen ließ.
Und wieder spürte Rojer, wie ihm beim Anblick der Damajah die Hitze ins Gesicht stieg. Er hatte Dutzende von Dorfmädchen gehabt und mehr als eine kultivierte angieranische Adlige beglückt, alle von ihnen reizvoll, hübsch oder sogar schön. Leeshas Schönheit war unübertroffen, doch sie schien sich dessen kaum bewusst zu sein und setzte ihr blendendes Aussehen niemals ein, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Die Damajah hingegen kannte ihre Ausstrahlung sehr genau. Hinter ihrem transparenten Schleier sah man die vollkommene Form ihres Kinns und die schön geformte Nase. Einen besonderen Reiz bildeten ihre großen, exotischen Augen mit den langen, gebogenen Wimpern, und die eingeölten schwarzen Locken, die wie in Kaskaden über ihre Schultern flossen. Das zarte Gewand verhüllte alles und nichts, betonte ihre glatten Arme und den Schwung ihrer Schenkel, die runden, üppigen Brüste mit den dunklen Knospen, die haarlose Scham. Die Luft rings um sie her war übersättigt von ihrem süß duftenden Parfüm.
Obendrein war jede ihrer Gebärden, jede Haltung, jedes Mienenspiel dazu gedacht, all diese Dinge zu einer Harmonie zusammenzufügen, die jeden Mann in ihrer
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