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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Stellung vom Körper abstand.
    »Loslassen!«, blaffte Jardir, woraufhin sich alle zu ihm umdrehten. Wonda wurde augenblicklich freigegeben; als Nächstes rammte sie dem Krieger hinter ihr einen Ellbogen in den Magen, und als der vornüberkippte, zuckte ihre Hand zu dem Messer an ihrem Gürtel.
    Jardir richtete seinen Speer auf sie. »Tu es nicht«, warnte er. Genau in diesem Moment erreichte Leesha die Gasse und schnappte bei dem Bild, das sich ihr darbot, erschrocken nach Luft. Sofort rannte sie zu Wonda.
    »Was ist passiert?«, fragte Leesha atemlos.
    »Diese Söhne des Horc wollten mich vergewaltigen!«, schrie Wonda.
    »Die Hure aus dem Norden lügt, Erlöser!«, fauchte Jurim abfällig. »Sie griff uns an und brach mir den Arm! Ich verlange, dass sie getötet wird!«
    »Wir sollen dir glauben, dass Wonda euch drei hierhergelockt und dann angegriffen hat?«, empörte sich Leesha.
    Jardir schenkte beiden keine Beachtung. Was sich hier zugetragen hatte, war offensichtlich. Er hatte gehofft, Wondas Tüchtigkeit auf dem Schlachtfeld würde die Krieger so beeindrucken, dass sie auf so etwas verzichteten; aber Jurim und seine Spießgesellen hatten es anscheinend für nötig gehalten, sie daran zu erinnern, dass sie außerhalb des Kampfplatzes immer noch eine Frau war, und eine unverheiratete obendrein. Nach dem Evejanischen Gesetz
war es ihr streng verboten, einen Sharum abzuweisen oder einen Mann aus irgendeinem Grund anzugreifen. Jurim und die anderen hatten kein Verbrechen begangen, und sie befanden sich im Recht, wenn sie den Tod des Mädchens forderten.
    Aber Jardir wusste auch, dass die Nordländer diese Dinge anders sahen, und er brauchte deren Krieger, Männer wie Frauen, für den Sharak Ka . Er sah zu Leesha hinüber und gestand sich ein, dass seine Überlegungen nicht völlig selbstlos waren. Man musste den Sharum beibringen, sich zu beherrschen. Sie brauchten eine drastische Lektion ähnlich der, die er Hasik vor vielen Jahren erteilt hatte.
    Mit einer umfassenden Geste deutete Jardir auf Jurim und seine beiden Kameraden, dann zeigte er auf die Wand. Gehorsam reihten sie sich dort auf, die Schultern gerade, das Kreuz durchgedrückt, ohne Rücksicht auf die Verletzungen, die das Mädchen ihnen zugefügt hatte. Sie war für den Kampf geboren, unabhängig von ihrem Geschlecht. Eine wahre Kriegerin.
    Jardir hörte, wie Leesha durch den Mund die Luft einsog und hob eine Hand, bevor sie etwas sagen konnte; dann schritt er vor seinen Männern auf und ab.
    »Meisterin Leesha und ich sind einander versprochen«, begann er in gelassenem Tonfall. »Wer ihre Bediensteten beleidigt, beleidigt auch sie. Und wer sie beleidigt, beleidigt mich.«
    Er schaute Jurim in die Augen und berührte seine Brust mit dem Speer des Kaji. »Hast du mich beleidigt, Jurim?«, fragte er ruhig.
    Jurims Augen weiteten sich. Sein Blick flackerte zwischen Wonda und Jardir hin und her. Er wand sich unter der Speerspitze, obwohl Jardir keinerlei Druck ausübte, und fing an zu zittern. Er wusste, dass sein Leben von seiner Antwort abhing, aber wenn er den Erlöser belog, kostete ihn das seinen Platz im Himmel.
    Jurim brach zusammen, fiel auf die Knie und weinte. Heulend presste er seine Stirn in den Dreck, während seine Hände Jardirs Füße umklammerten. »Vergib mir, Shar’Dama Ka !«

    Jardir verpasste ihm einen Fußtritt, rückte einen Schritt von ihm ab und wandte sich den beiden Kriegern rechts und links von Jurim zu. Sofort sanken auch sie auf die Knie und drückten unter lautem Gejammer ihre Stirn in den Dreck.
    »Schweigt!«, donnerte Jardir, und die Männer verstummten prompt. Mit dem Finger deutete er auf Wonda. »Diese Frau hat heute Nacht mehr alagai getötet als ihr drei zusammen. Deshalb ist ihre Ehre eure drei Leben wert.«
    Die Männer duckten sich noch tiefer, aber sie wagten es nicht, sich zu verteidigen. »Begebt euch in den Tempel und betet die ganze Nacht und auch den morgigen Tag lang«, befahl Jardir. »Ihr werdet eure Speere nehmen und morgen Nacht ohne Schild und nur mit schwarzen Bidos bekleidet in den alagai’sharak gehen. Wenn ihr fallt, kommen eure Gebeine in den Sharik Hora .«
    Die Männer erschauerten vor Erleichterung, weinten und küssten Jardirs Füße, denn mit seinen Worten hatte er ihnen ein Versprechen gegeben, wie es bedeutender nicht hätte sein können. Ein Sharum fürchtete nur zweierlei - dass ihm nicht vergönnt wurde, den Tod eines Kriegers zu sterben, und dass Everam ihm den Einzug in das

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