Das Flüstern der Nacht
fand, egal, wie vielen Frauen er beilag.
Aber Inevera lächelte nur und nickte. »Selbstverständlich«, erwiderte sie, schnippte mit den Fingern und gab den Mädchen auf Krasianisch einen Befehl.
Amanvah räusperte sich und fing mit voller, reiner Stimme an zu singen. Rojer verstand die Worte nicht und hatte auch selbst kein großes Talent zum Singen, doch nachdem er jahrelang mit Arrick aufgetreten war, dem begnadetsten Sänger seiner Zeit, war er bestens geeignet, um sich ein Urteil zu bilden.
Amanvahs Stimme übertraf die von Arrick bei weitem. Sie hob ihn hoch wie ein Sturmwind, riss ihm den Boden unter den Füßen weg und trug ihn auf ihrem Klang davon.
Doch dann kam ein zweiter Wind auf, der sich geschmeidig um den anderen schmiegte, als Sikvah einstimmte. Sofort fanden sie zu einer Harmonie, und Rojer war wie vom Donner gerührt. Wenn die beiden sich an die Jongleurgilde in Angiers wandten, wäre ihnen eine grandiose Karriere sicher, obwohl sie Frauen waren.
Rojer sagte nichts, stand nur schweigend da, während Amanvah und Sikvah sangen. Als Inevera ihr Lied schließlich mit einem Wedeln ihrer Hand beendete, fühlte er sich wie eine Marionette, deren Fäden man gekappt hat.
»Sikvah ist außerdem eine hervorragende Köchin«, lobte Inevera, »und beide Mädchen wurden in der Kunst des Liebens ausgebildet, obwohl ihnen noch kein Mann nahe kam.«
»Die … äh … Kunst?«, wiederholte Rojer stotternd, während sein Gesicht wieder brannte wie Feuer.
Inevera lachte und schnippte abermals mit den Fingern. Amanvah stand auf und stellte sich anmutig hin, wobei sie mit einer Hand ihren Schleier löste. Die hauchzarte weiße Seide driftete davon wie ein Rauchschwaden und enthüllte ein Gesicht von bestürzender Schönheit. Amanvah kam eindeutig nach ihrer Mutter.
Sikvah trat hinter sie, öffnete einen verborgenen Verschluss an Amanvahs Schultern, und das vollständige Gewand schien sich einfach aufzulösen; mit einem leisen Rascheln glitt die Seide an ihr herunter auf den Boden. Nackt stand sie vor ihm, und Rojer sperrte Mund und Augen auf.
Inevera beschrieb mit einem Finger einen Kreis, und gehorsam drehte sich Amanvah um die eigene Achse, damit Rojer sie von allen Seiten in Augenschein nehmen konnte. Amanvahs Körper war makellos, wie der ihrer Mutter, und Rojer fürchtete, selbst seine bequemen Jongleurhosen seien nicht weit genug. Er fragte sich, ob man auch von ihm verlangen würde, sich auszuziehen; dann könnten alle Frauen seine Erregung sehen.
»Beim Schöpfer, muss das alles wirklich sein?«, fragte Leesha spitz.
»Halt den Mund!«, fuhr Elona sie an. »Natürlich ist es notwendig!«
Amanvah drehte sich um und öffnete nun Sikvahs Seidengewand, das verschwand wie ein Schatten unter der Sonne und sich in eine tintenschwarze Pfütze zu ihren Füßen verwandelte. Sie war
vielleicht nicht so schön wie Amanvah, doch bis auf die anderen anwesenden Frauen hatte Rojer nie ein entzückenderes Mädchen gesehen.
»Jetzt dürft ihr euch vergewissern, dass die beiden noch unberührt sind«, gestattete Inevera.
»Ich … äh …« Rojer blickte auf seine Hände und vergrub sie hastig in seinen Taschen. »Das ist nicht nötig.«
Inevera lachte. »Die Untersuchung ist Sache der Frauen«, stellte sie mit schelmischem Lächeln klar. »Schließlich muss man noch etwas für die Hochzeitsnacht aufheben.« Sie zwinkerte ihm zu, und Rojer wurde schwindelig.
Inevera richtete das Wort an Elona. »Bist du dazu bereit?«
»Äh … nun ja …«, stotterte Elona, »für so etwas ist meine Tochter besser ausgebildet.«
Leesha schnaubte durch die Nase. »Meine Mutter würde ein Hymen gar nicht erkennen«, zischte sie Rojer zu. »Sie wurde ihr Jungfernhäutchen los, ehe sie überhaupt erfuhr, was das ist.«
Elona bekam mit, wie über sie gelästert wurde; aber sie enthielt sich jeder Bemerkung und funkelte Leesha nur empört an.
»Also gut«, brummte Leesha dann. »Mir ist alles recht, Hauptsache, diese leidige Angelegenheit findet ein Ende.« Sie bückte sich nach den Gewändern der Mädchen, dann fasste sie die beiden bei den Armen und führte sie in einen kleinen, mit einem Vorhang verdeckten Dienstbotenalkoven an der Seite der Halle.
Leesha ließ den Vorhang wieder fallen, damit keiner sie beobachten konnte, und brav beugten sich die Mädchen über einen kleinen Tisch und präsentierten sich ihr wie Zuchtstuten. Als Kräutersammlerin hatte sie Hunderte von jungen Mädchen untersucht, sogar die Herzogin von
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