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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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falls jemandem etwas an ihr auffiel, so verkniff er sich jeden Kommentar.
    Sogar während des alagai’sharak hatte Leesha Mühe, sich mit Jardir in ihrer Nähe auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Er schien ähnlich zu empfinden und wich nie von ihrer Seite, wenn sie die wenigen unbedeutenden Verletzungen untersuchte und behandelte, die sich die geübten Krieger zuzogen.
    »Darf ich dir morgen wieder vorlesen?«, fragte Jardir, als die Schlacht vorüber war. Er musste noch ein paar Stunden bei seinen Leuten bleiben, aber die Talbewohner durften in den Spiegelpalast zurückkehren.
    »Du darfst mir jeden Tag vorlesen, wenn du magst«, erwiderte sie, und seine Augen funkelten sie vergnügt an.

    Der Horcling-Prinz hielt sich in respektvoller Entfernung, während er zusah, wie der Erbe und seine Männer Drohnen töteten. Seit mehreren Umläufen beobachtete der Seelendämon den Nachfolger während jeder Neumondphase, und wie die Prinzen befürchtet hatten, verstand er es, die Menschen zu einen. Es war offensichtlich, dass er das volle Ausmaß der Macht, die von dem Speer und der Krone aus Dämonengebeinen ausging, nicht kannte, nichtsdestotrotz wuchs seine Stärke, und die menschlichen Drohnen sammelten sich in einer Weise, die anfing, gefährlich zu werden.
Schon jetzt würde es schwierig sein, den Erben zu töten, und selbst wenn es dem Horcling-Prinzen glückte, gab es viele, die seine Stelle einnehmen konnten.
    Aber das Weibchen aus dem Norden brachte eine neue Komponente ins Spiel, sie war eine Schwachstelle im Harnisch des Erben. Ihr Geist war ungeschützt, und sie wusste viel über den Erben und den einen, den sein Bruder im Norden verfolgte.
    Als sich das Weibchen von der Gruppe entfernte, setzte der Seelendämon ihr hinterher.

    Im Palast angekommen, flog Leesha buchstäblich die Treppe hinauf in ihre Gemächer.
    »Was ist in dich gefahren?«, fragte Wonda.
    »Nichts, was nicht auch schon in dich hineingefahren wäre.« Wonda glotzte sie verständnislos an und Leesha brach in schallendes Gelächter aus. »Geh ins Bett. Ehe du dich versiehst, taucht Exerziermeister Kaval hier auf und brüllt dich an.«
    »So übel ist er gar nicht«, meinte Wonda, doch sie gehorchte.
    Auf Zehenspitzen schlich Leesha an der Tür zu den Räumlichkeiten ihrer Mutter vorbei und betete, diese möge zumindest den Anstand haben, bis morgen früh zu warten, ehe sie mit ihrem Verhör begann. Sie dankte dem Schöpfer, als es ihr gelang, unbemerkt vorbeizuhuschen und sich in den Gemächern einzuschließen, in denen sie und Jardir sich geliebt hatten.
    Als sie endlich allein war, stahl sich das breite Lächeln, das sie die ganze Nacht lang unterdrückt hatte, auf ihr Gesicht.
    Plötzlich warf ihr jemand eine Kapuze über den Kopf.
    Sie wollte schreien, aber eine Kordel am unteren Rand der Haube wurde festgezurrt, schnürte ihr den Atem ab, und aus ihrem Mund kam nur ein gedämpftes Keuchen. Eine kräftige Hand
drehte ihr die Arme auf den Rücken, und mit derselben Kordel fesselte man ihre Handgelenke. Ihr Angreifer trat ihr in die Kniekehlen, und als sie hinfiel, band er ihre Füße mit dem Ende der Schnur zusammen. Anfangs versuchte sie sich zu wehren, doch bei jeder Bewegung zog sich die Kordel enger um ihren Hals, und aus Angst, sich selbst zu strangulieren, gab sie bald jede Gegenwehr auf.
    Sie wurde auf eine starke Schulter gehoben und zum Fenster getragen; die kalte Nachtluft ließ sie frösteln, und sie zitterte am ganzen Leib, als man sie eine Leiter hinunterschleppte. Ihre Entführer bewegten sich völlig lautlos, doch an der Art wie die Leiter schwankte, konnte Leesha erkennen, dass es sich um mindestens zwei Männer handeln musste.
    Ihr Gewicht schien den Kerl, der sie schleppte, nicht im Geringsten zu behindern; ohne außer Atem zu geraten rannte er durch die nächtlichen Straßen. Leesha versuchte, sich zu orientieren, aber das erwies sich als unmöglich. Es ging eine Treppe hoch und in ein Gebäude hinein, eine Reihe von Fluren entlang und zum Schluss durch eine Tür. Die Männer blieben stehen und sie wurde ohne viel Federlesens auf dem Boden abgeladen.
    Der Aufprall trieb ihr den Atem aus den Lungen, aber ein dicker Teppich verhinderte, dass sie sich ernsthaft verletzte. Man schnitt die Kordel an ihren Füßen und Handgelenken durch und riss ihr die Kapuze vom Kopf. In dem Raum war es nicht besonders hell, doch nach der totalen Finsternis unter der Kapuze kam ihr das Licht der Ölfunzeln unglaublich grell vor. Leesha hob eine

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