Das Flüstern der Nacht
verbreitete gleißende Helle, und ein Schwall aus ungeheurer Hitze traf Leesha, ehe die reagieren konnte.
»Wenn ich will, kann ich dich bei lebendigem Leib verbrennen«, behauptete Inevera.
Es war ein ungewöhnlicher Trick, aber Leesha, die seit über einem Jahrzehnt Flammenzauber zusammenbraute, fand die Wirkung weniger beeindruckend als die Art und Weise, wie sie bewerkstelligt wurde. Inevera hatte keinen Funken entzündet, keine Chemikalien vermischt, keine mechanische Kraft angewandt. Sie nahm das Ding in Ineveras Hand näher in Augenschein, und dann wurde ihr alles klar.
Es war der Schädel eines Flammendämons.
So lädt sie die Siegel mit Energie auf, begriff Leesha und wunderte sich, warum sie selbst nicht schon vor Monaten darauf gekommen war. Alagai hora. Dämonenknochen.
Diese Erkenntnis brachte endlose Möglichkeiten mit sich, doch keine davon war von Belang, wenn sie die Nacht nicht überlebte. Sie konnte keine Siegel zeichnen, um das Feuer abzuwehren, bevor Inevera sie in Brand steckte.
»Versorgst du auf diese Weise den Türrahmen mit Energie?«, fragte Leesha trotzdem. »Sind alagai hora im Holz versteckt?«
Inevera blickte zur Tür; auf diesen Moment hatte Leesha gewartet. Hastig steckte sie die Finger in eine ihrer Schürzentaschen, zog eine Handvoll Fliegende Knaller heraus und schleuderte sie auf Inevera.
Die kleinen gedrehten Papierröhrchen explodierten unter Lärm und Blitzen, völlig harmlos, aber Inevera fing an zu kreischen und riss die Arme vor ihr Gesicht. Leesha verlor keine Zeit; sie stürzte sich auf sie und umklammerte das Handgelenk mit dem Dämonenschädel.
Sie presste ihren Daumen mit aller Kraft auf einen Punkt, an dem die Nerven zusammenliefen, und der Schädel fiel polternd zu Boden. Die andere Hand ballte sie zur Faust, und sehr zu ihrer Genugtuung gab der schwache Nasenknorpel der Damajah gleich beim ersten Boxhieb nach.
Leesha wollte zu einem zweiten Schlag ausholen, aber Inevera rollte auf den Boden, drehte sich, packte Leeshas Schultern und rammte ihr mit einer Kraft, die eines Kamels würdig gewesen wäre, ihr Knie zwischen die Beine.
»Hure!«, keifte Inevera, als Leesha sich vor Schmerzen krümmte. »Hat mein Gemahl es dir gut besorgt?«, brüllte sie, während sie ihr Knie ein zweites Mal in Leeshas Schritt rammte. »Hat mein Gemahl kräftig zugestoßen?« Sie schlug ein drittes Mal zu.
Noch nie hatte Leesha solche schrecklichen Schmerzen gespürt. Blindlings tastete sie nach den Haaren der Damajah , aber Inevera krallte ihre Finger in die Manschetten der Kleiderärmel und zerrte Leeshas Arme zur Seite wie ein Jongleur eine Marionette bewegen würde. In ihren schweren Röcken konnte Leesha sich nicht wehren, als Inevera hinter sie glitt, die Ärmel losließ und sie in einen Würgegriff nahm.
»Danke«, zischte Inevera ihr ins Ohr. »Eigentlich wollte ich dich mit sauberem Feuer töten, um mir nicht den Lack auf meinen Fingernägeln zu ruinieren, aber das hier verschafft mir viel mehr Befriedigung.«
Leesha warf sich hin und her und schlug wild um sich, aber es nützte ihr nichts. Inevera schloss die Beine um Leeshas Taille und drückte ihre Arme auf ihr Gesicht. Mit den Händen konnte Leesha keinen verletzlichen Punkt am Körper der Damajah erreichen, und auch das Blendpulver ließ sich nicht anwenden. Als der Atem langsam aus ihr herausgepresst wurde, sah sie alles nur noch verschwommen. In ihrer Verzweiflung hangelte sie nach dem Dämonenschädel, der auf dem Boden lag, aber mit einem Fußtritt beförderte Inevera ihn außer Reichweite. Leesha war kurz davor, das
Bewusstsein zu verlieren, als sie ihr Messer mit den Siegeln aus dem Gürtel zog und es tief in Ineveras Schenkel stieß.
Heißes Blut spritzte über Leeshas Hand und ihr wurde übel, aber Inevera heulte auf und ließ sie los. Leesha gelang es, sich mit den Füßen von ihr abzustemmen und sich zu befreien; das Messer in der ausgestreckten Hand haltend, wälzte sie sich auf die Knie und sog tief den Leben spendenden Atem ein. Inevera rollte sich zur anderen Seite ab, griff in einen Beutel, den sie an der Taille trug, und schleuderte etwas in Leeshas Richtung.
Leesha wich seitwärts aus, während etwas, das aussah und klang wie ein Hornissenschwarm, an ihr vorbeisauste. Sie schrie, als eines der Geschosse ihren Schenkel durchschlug und sich ein anderes in ihre Schulter bohrte. Sie zog das Ding heraus und stellte fest, dass sie einen Dämonenzahn in der Hand hielt. Er war mit ihrem Blut
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