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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Panik und machte einem heftigen Groll Platz. Auf der Straße haben sie mir etwas genommen, aber ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass sie mir alles weggenommen haben!

    Leesha fühlte die dicke Schicht aus Schminke und Puder auf ihrem Gesicht, als sie das nächste Kleid anprobierte; es kam ihr vor als sei es das hundertste. Und die ganze Zeit über musste sie auf ihr mit Nadeln festgestecktes Haar achtgeben, um die Frisur nicht zu verderben.
    Jardir hatte seinen Besuch angekündigt. An diesem Morgen hatte er sie benachrichtigt, er würde sie am Nachmittag aufsuchen, um ihr weiter aus dem Evejah vorzulesen, wie er es bereits
auf dem Weg nach Rizon getan hatte; aber niemand machte sich Illusionen über seine wahren Absichten - er wollte um sie werben.
    Abbans Erste Frau, Shamavah, schleppte Dutzende von Kleidern zum Anprobieren heran, krasianische Seidengewänder, glatter als eine Babyhaut, in kräftigen Farben und mit aufreizendem Schnitt. Sie und Elona zogen Leesha an wie eine Puppe, ließen sie vor den Spiegeln an den Wänden auf und ab gehen und diskutierten darüber, welche Machart ihr am besten stand. Wonda schaute vergnügt zu; wahrscheinlich empfand sie eine Art Genugtuung, nachdem sie von Herzogin Araines Schneiderin ähnlich behandelt worden war.
    »Dieses Kleid ist zu anstößig, selbst für meinen Geschmack«, kritisierte Elona die letzte Wahl.
    »Und das will was heißen«, murmelte Leesha. Der Stoff war buchstäblich durchsichtig, wie die Schleier, in die Inevera sich kleidete. Sie würde eines von Brunas dicken, gestrickten Umhängetüchern brauchen, um sich halbwegs darin wohlzufühlen.
    »Man darf einem Mann nicht alles zeigen«, erklärte Elona. »Zuerst muss er sich bemühen, damit man ihm diese Gunst gewährt.« Sie suchte ein Kleid aus einem dichteren Material aus, doch die Seide schmiegte sich wie eine zweite Haut um Leeshas Körper, so dass sie sich trotzdem nackt vorkam. Sie fröstelte und vergegenwärtigte sich, dass es einen guten Grund gab, warum diese Mode im Norden nicht so beliebt war wie in der Wüste.
    »Unsinn!«, widersprach Shamavah. »Meisterin Leesha ist mit einem Körper gesegnet, der genauso vollkommen ist wie der der Damajah . Soll der Shar’Dama Ka ruhig sehen, was er nicht bekommen kann, bevor der Ehevertrag unterschrieben ist.« Sie hielt ein so durchsichtiges Kleidungsstück in die Höhe, dass Leesha fand, sie brauche sich gar nicht erst die Mühe zu machen, es überhaupt anzuziehen; sie konnte Jardir auch gleich splitternackt empfangen.

    »Das reicht jetzt!«, fauchte sie gereizt. Ungeduldig zog sie das Kleid, das Elona für sie ausgewählt hatte, über ihren Kopf und pfefferte es auf den Boden. Dann nahm sie einen Lappen und wischte sich die Schminke und den Puder ab, die Shamavah auf ihr Gesicht aufgetragen hatte, während Elona ihr über die Schulter schaute und sich mit der Krasianerin über die Auswahl der Farben stritt.
    »Wonda, geh und hol mein blaues Kleid«, befahl Leesha. Bei dem scharfen Tonfall erlosch Wondas Grinsen, und sie eilte beflissen davon.
    »Diesen einfachen alten Lumpen?«, entrüstete sich Elona. »Du wirst aussehen wie eine …«
    »Ich werde aussehen wie ich selbst«, fiel Leesha ihr ins Wort. »Und nicht wie eine angemalte angieranische Hure.« Beide Frauen wollten protestieren, aber mit einem wütenden Blick brachte sie sie zum Schweigen.
    »Lass wenigstens dein Haar wie es ist«, riet Elona ihr. »Ich habe den ganzen Morgen daran gearbeitet, und es wird dich schon nicht umbringen, hübsch auszusehen.«
    Leesha sah in einen Spiegel und bewunderte die Frisur, die Elona aus ihrem dichten schwarzen Haar gezaubert hatte; in lockigen Kaskaden fiel es über ihren Rücken, und scheinbar widerspenstige Strähnen fielen extravagant über ihre Stirn. Sie lächelte zufrieden.
    Wonda kam mit Leeshas blauem Kleid zurück, aber Leesha warf nur einen Blick darauf und schnalzte mit der Zunge. »Ich habe es mir anders überlegt. Bring mir mein Festtagskleid.« Verschwörerisch blinzelte sie ihrer Mutter zu. »Es kann nicht schaden, wenn ich mich ein bisschen nett zurechtmache.«

    Rastlos wanderte Leesha in ihren Räumlichkeiten auf und ab und wartete auf Jardir. Die anderen Frauen hatte sie weggeschickt; ihr
Gerede zerrte nur noch mehr an ihren ohnehin schon angespannten Nerven.
    Es klopfte an der Tür. Rasch warf Leesha einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, zog den Bauch ein und drückte den Busen ein wenig raus, ehe sie die Tür

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