Das Flüstern der Nacht
bat er sie.
Leesha prustete durch die Nase. »Was brauchst du noch eine Frau, wenn du bereits …«
»Vierzehn«, half Jardir aus und wedelte mit der Hand, als sei dies nebensächlich. »Kaji hatte tausend Gemahlinnen.«
»Erinnert sich überhaupt noch jemand an den Namen der fünfzehnten?«, spottete Leesha.
»Sie hieß Shannah vah Krevakh«, erwiderte Jardir ohne zu zögern. »Es heißt, ihr Vater habe Schatten gestohlen, um daraus ihre Haare zu machen. Aus ihrem Schoß stammten die ersten Aufpasser, unsichtbar in der Nacht, aber ständig wachsam an der Seite ihres Vaters.«
Leeshas Augen verengten sich. »Das hast du dir ausgedacht.«
»Wirst du mich küssen, wenn es nicht so ist?«
Leesha tat so als würde sie darüber nachdenken. »Aber nur, wenn ich dich schlagen darf, falls ich Recht habe.«
Lächelnd deutete Jardir auf den Evejah. »Jede Gemahlin des Kaji ist hier aufgeführt, ihre Namen werden bis in alle Ewigkeit geehrt. Ein paar der Einträge sind sehr ausführlich.«
»Alle tausend Frauen stehen namentlich in dem Buch?«, fragte Leesha zweifelnd.
Jardir zwinkerte ihr zu. »Erst nach über hundert Namen werden die Vermerke kürzer.«
Schmunzelnd griff Leesha nach dem Buch. »Seite zweihundertsiebenunddreißig«, sagte Jardir, »achte Zeile.« Leesha blätterte, bis sie die entsprechende Stelle fand.
»Was steht da?«, fragte Jardir.
Leesha fiel es immer noch ziemlich schwer, einen krasianischen Text zu lesen, doch Abban hatte ihr die korrekte Aussprache beigebracht. »Shannah vah Krevakh«, zitierte sie. Sie las ihm die ganze Passage vor und strengte sich an, den musikalischen Klang des Krasianischen nachzuahmen.
Jardir lächelte. »Es erfüllt mein Herz mit großer Freude, dich meine Sprache sprechen zu hören. Ich werde auch meinen Lebensweg niederschreiben. Der Ahmanjah, geschrieben mit meinem eigenen Blut, wie Kaji den Evejah verfasste. Wenn du fürchtest, von der Nachwelt vergessen zu werden, dann heirate mich, und ich widme dir ein ganzes Kapitel.«
»Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich deine Frau werden will«, erwiderte Leesha freimütig. Jardirs Lächeln begann zu verblassen, aber sie beugte sich zu ihm und strahlte ihn an. »Aber den Kuss hast du dir verdient.« Sie küsste ihn, und ein Schauer durchrann sie, der stärker war als jede Magie.
»Und wenn deine Mutter uns erwischt?«, fragte Jardir und wich zurück, als sie keine Anstalten traf, ihre Umarmung zu lösen.
Leesha umrahmte sein Gesicht mit ihren Händen und zog ihn wieder zu sich heran.
»Ich habe die Tür verriegelt«, erklärte sie und öffnete den Mund, um den Kuss zu vertiefen.
Leesha war eine Kräutersammlerin. Sie hatte die Wissenschaften der alten Welt studiert und ihre eigenen Experimente gemacht. Nichts war ihr lieber als etwas Neues zu lernen, und egal, ob es sich um Kräuter, Siegel oder fremde Sprachen handelte, es gab nichts, was sie nicht meistern und durch schöpferische Inspiration vervollkommnen konnte.
Das galt auch für ihr Liebesspiel auf den Kissen, als sie ihre Kleider ablegten und Leesha, die während der letzten fünfzehn Jahre gelernt hatte, Körper zu heilen, endlich lernte, wie man seinen Körper einsetzte, um selbst Lust zu empfinden und einem anderen Lust zu bereiten.
Jardir schien das genauso zu sehen, denn als sie sich schwitzend und keuchend voneinander lösten, bemerkte er: »Du stellst selbst eine jiwah’Sharum in den Schatten.«
»Das kommt daher, dass ich jahrelang meine Leidenschaft unterdrückt habe«, entgegnete Leesha. Genüsslich streckte und dehnte sie sich, ohne sich ihrer Nacktheit zu schämen. Noch nie hatte sie sich so frei gefühlt. »Du hast Glück, dass du der Shar’Dama Ka bist. Ein geringerer Mann hätte das vielleicht nicht überlebt.«
Jardir lachte und küsste sie. »Ich wurde geboren, um Krieg zu führen, und mit dir stürze ich mich hunderttausendmal in diesen lustvollen Kampf, wenn es sein muss.«
Er stand auf und verneigte sich tief. »Aber leider geht die Sonne bald unter, und wir müssen eine andere Schlacht schlagen. Heute
ist die erste Nacht des Schwarzen Mondes, und die alagai werden stark sein.« Leesha nickte, und langsam zogen sie sich wieder an. Er griff nach seinem Speer und sie nach ihrer Schürze mit den vielen Taschen.
Keiner sprach sie an, als sie im Hof mit Gared, Wonda, Rojer und den wartenden Speeren des Erlösers zusammentrafen. Leesha fühlte sich dermaßen verändert, dass sie glaubte, jeder müsse es ihr ansehen; doch
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