Das Flüstern der Nacht
überschüttet hatte. »Unsere Gespräche werden mir fehlen.«
»Und wird dir auch der Spiegelpalast fehlen, in dem du die hübschesten deiner Gemahlinnen und Töchter vor den dal’Sharum verstecken konntest?«, fragte Leesha.
Verdutzt sah Abban sie an, dann verbeugte er sich und lächelte. »Du beherrschst unsere Sprache besser als du dir anmerken lässt.«
»Warum sagst du nicht einfach Ahmann Bescheid? Er soll Hasik und die anderen an die Kette legen. Sie können nicht herumspazieren und jede Frau vergewaltigen, nach der es sie gelüstet.«
»Vergib mir, Meisterin, aber das Gesetz besagt, dass sie es sehr wohl können«, klärte Abban sie auf. Leesha wollte antworten, aber er hob eine Hand. »Ahmanns Macht ist nicht so absolut wie er denkt. Wenn er seine Männer wegen der Frauen eines khaffit maßregelt, würde das Unmut bei den Kriegern erregen, die ihm mit ihren Speeren den Rücken freihalten.«
»Und das ist wichtiger als die Sicherheit deiner Familie?«
In Abbans Augen stahl sich ein harter Ausdruck. »Glaube nicht, dass du all unsere Sitten und Gebräuche verstehst, nur weil du ein paar Wochen unter uns gelebt hast. Ich werde einen Weg finden, meine Familie zu schützen, ohne meinen Gebieter zu gefährden.«
Leesha verneigte sich. »Es tut mir leid.«
Abban lächelte. »Mach es wieder gut, indem du mir erlaubst, in deinem Dorf einen Pavillon zu errichten. Meine Familie betreibt einen in jedem Stamm, um mit Waren und Vieh zu handeln. Everams Füllhorn ist mit mehr Getreide gesegnet als seine Bewohner benötigen, und ich weiß, dass viele Menschen im Norden hungern.«
»Das ist sehr freundlich von dir«, fand Leesha.
»Nein, das ist es nicht«, widersprach Abban. »Warte nur ab, bis du zum ersten Mal erlebst, wie meine Gemahlinnen mit deinen Leuten um die Preise feilschen.«
Leesha schmunzelte.
Draußen erklang ein Ruf; Abban hinkte ans Fenster und schaute in den Hof hinunter. »Deine Eskorte ist abmarschbereit. Komm mit, ich begleite dich nach draußen.«
»Was ist zwischen Ahmann und dem Par’chin vorgefallen, Abban?«, erkundigte sich Leesha, der die Frage schon seit geraumer Zeit auf der Zunge brannte. Wenn sie die Antwort jetzt nicht bekam, dann würde es vermutlich nie passieren. »Warum wirkte Ahmann so verärgert, weil du ihn mir gegenüber erwähnt hast? Wieso hattest du auf einmal Angst, als ich dir erzählte, ich hätte mit Ahmann über ihn gesprochen?«
Abban sah sie an und seufzte. »Lieber lasse ich meine Familie leiden, als meinen Gebieter in Gefahr zu bringen. Was veranlasst dich zu glauben, ich würde den Par’chin über meine Gemahlinnen und meine Töchter stellen? Mein eigen Fleisch und Blut?«
»Wenn du mir diese Frage beantwortest, ist das für Jardir kein Risiko, das schwöre ich dir«, beteuerte Leesha.
»Vielleicht doch«, wich Abban aus.
»Ich gebe zu, ich bin ziemlich verwirrt«, bekannte Leesha. »Ihr beide behauptet, Arlen sei euer Freund gewesen.«
Abban verneigte sich. »Das war er auch, Herrin, und weil das die Wahrheit ist, werde ich dir so viel verraten: Wenn du den Sohn des Jeph kennst, wenn du über die Möglichkeit verfügst, ihm eine Botschaft zukommen zu lassen, dann sage ihm, er soll bis ans Ende der Welt flüchten und noch darüber hinaus, denn so weit wird Jardir ihn verfolgen, um ihn zu töten.«
»Aber warum?«, drängte Leesha.
»Weil es nur einen Erlöser geben kann. Und der Par’chin und Ahmann waren sich … uneins, wer das sein soll.«
Vom Spiegelpalast aus begab sich Abban geradewegs in Jardirs Thronsaal. Sobald Jardir den khaffit sah, entließ er seine Ratgeber, um mit ihm allein sprechen zu können.
»Sie ist fort?«, fragte er.
Abban nickte. »Meisterin Leesha hat mir erlaubt, beim Stamm der Talbewohner einen Handelsposten zu errichten. Das wird dazu beitragen, die Beziehungen zwischen unseren Völkern zu verbessern und wir gewinnen wertvolle Kontakte im Norden.«
»Das hast du gut gemacht«, lobte Jardir.
»Ich werde Männer brauchen, um die Lieferungen und die Vorratslager zu bewachen«, fuhr Abban fort. »Früher hatte ich für solche schweren Arbeiten Diener. Es dürfen ruhig khaffit sein, aber sie müssen sich körperlich in bester Verfassung befinden.«
»Solche Männer sind jetzt alle kha’Sharum «, erwiderte Jardir.
Abban verneigte sich. »Du siehst, in welchen Schwierigkeiten ich stecke. Ein dal’Sharum würde niemals, unter gar keinen Umständen, Befehle eines khaffit befolgen, aber wenn du mir erlauben würdest,
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