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Das Flüstern der Schatten

Das Flüstern der Schatten

Titel: Das Flüstern der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Philipp Sendker
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Äste des Frangipanis eine Lichterkette gewickelt, auf dem Tisch stand ein achtarmiger Kerzenleuchter, daneben ein Kübel mit einer Flasche Champagner und zwei Gläsern und ein großer Strauß roter Rosen. Im Haus brannte kein Licht, Türen und Fenster waren offen, und auch in Küche und Wohnzimmer leuchteten nichts als Kerzen auf den Tischen und Fensterbänken. Paul lag ganz ruhig in seinem Liegestuhl und tat so, als ob er schliefe. Sie sah genau, wie er ein Auge einen winzigen Spalt öffnete und jede ihrer Bewegungen verfolgte. Noch nie in ihrem Leben hatte ein Mensch ihr so einen Empfang bereitet.
    Sie ging zum Tisch und sah im Schein der flackernden Kerzen, mit wie viel Mühe er ihn dekoriert hatte. Er war mit mehr als einem Dutzend Schälchen und Schüsselchen voll kleiner Leckereien gedeckt, sie erkannte Auberginen, Tausend Jahre alte Eier mit Senf und Ingwer und gedünstete Krebse, alles ihre Lieblingsgerichte. Dazwischen gestreut lagen weiße Frangipaniblüten und viele kleine rote von der Bougainvillea. Ihre Platzdeckchen waren rund und aus dunkelroter Seide, auf ihren beiden Tellern flackerte je ein Teelicht.
    Sie hörte, wie Paul sich vorsichtig erhob und sich von hinten an sie heranschlich.
    Jetzt stand er hinter ihr, und im nächsten Augenblick verdeckte er ihr mit seinen Händen die Augen.
    Ihre Knie gaben nach, als wäre sie zuvor noch nie von einem Mann berührt worden. Für einen Moment fürchtete sie, dies alles nur zu träumen und gleich auf ihrem Sofa in Hang Hau aufzuwachen und in das Testbild des Fernsehers zu starren. Dann spürte sie seine Lippen auf ihrem Hals und bekam eine Gänsehaut. Wie konnte ein Mensch so zärtlich küssen? Wie konnte eine so sanfte Berührung sie so zum Leben erwecken? Sie wollte sich umdrehen, aber er nahm sie auf seine Arme, hob sie in die Luft, drehte sich mit ihr im Kreise und trug sie dann wie ein schlafendes Kind ins Haus und die Treppe hoch. Er legte sie aufs Bett und fing an, sie auszuziehen. Auch im Schlafzimmer brannten Kerzen, und in ihrem Schein beobachtete sie jede seiner Bewegungen und sah, dass ihn heute nicht die Kraft verlassen würde. Sie konnte vor Aufregung nicht still liegen, wollte sich ihren Rock, ihre Bluse, den BH vom Leib reißen oder ihm wenigstens helfen, die Knöpfe seines Hemdes, den Gürtel zu öffnen, damit es schneller geht, aber er strich ihre Hände beiseite.
    Die Leidenschaft, mit der er sie auszog, mit der seine Finger über ihre Haut glitten, steigerte ihre Erregung, bis sie fürchtete, es nicht mehr zu ertragen, gleich zu platzen, wenn er sie nicht im nächsten Moment erlöste. Wie konnte er sich so lange beherrschen? Wie konnte er sie minutenlang mit Küssen bedecken, bis seine Zunge genügte, um sie schweben zu lassen?
    Als es so weit war, hatte sie das Gefühl, das Bewusstsein zu verlieren. Als würde er Wellen des Glücks durch ihren Körper schicken, Wellen, die alles mit sich rissen, was sich ihnen in den Weg stellte, die sie hochhoben und forttrugen in eine Welt, in der sie zuvor noch nie gewesen war, in der es keine Angst gab und keine Zweifel, in der es auf alle Fragen nur eine Antwort gab. Eine Welt, von deren Existenz sie nicht einmal etwas geahnt hatte und die sie nie wieder verlassen wollte. Sie fühlte sich unendlich schwach und gleichzeitig so stark wie noch nie in ihrem Leben.
    Sie hielt Paul fest und wusste, dass sie ihn nicht wieder loslassen würde.
    Irgendwann hörte sie ihn ganz leise in ihren Armen lachen. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und sah, dass er gleichzeitig lachte und weinte. Er stand auf und trug sie einmal durch das dunkle Haus hinunter in den Garten, in dem alle Kerzen bis auf den Docht heruntergebrannt und erloschen waren. Er setzte sie behutsam auf einen Stuhl, ging zurück ins Haus, holte zwei Bademäntel und einen Korb voller Kerzen, zündete eine nach der anderen an, und schon bald leuchtete der Garten wie bei ihrer Ankunft. Er brachte aus der Küche warmen Reis, öffnete die Flasche Champagner, schenkte ein, reichte ihr ein Glas und gab ihr noch einen Kuss auf den Hals, dass ihr Herz vor Aufregung schon wieder heftig zu pochen begann.
    »Du machst mich wahnsinnig«, flüsterte sie, »wenn du nicht aufhörst, brennen die Kerzen ein zweites Mal ohne uns ab.«
    »Noch einmal? Ich bin doch keine zwanzig mehr«, flüsterte er zurück.
    »Schade eigentlich«, sagte sie und küsste ihn auf die Stirn.
    Paul begann sie zu füttern, er klemmte ein Stück eingelegte Aubergine zwischen seine

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