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Das Flüstern der Stille

Das Flüstern der Stille

Titel: Das Flüstern der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Senn Heather Gudenkauf
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trat näher an sie heran, Wut tobte in seinem Gesicht. „Hör mir gut zu. Du magst in meinem Haus leben, aber deshalb muss es mir noch lange nicht gefallen!“ Er trat nach ihr, die Spitze seines Schuhs streifte ihr Schienbein. Calli rollte sich zu einem kleinen Ball zusammen, wie eine kleine, wollige Raupe, schützte ihren Kopf mit den Armen. „Wenn wir nach Hause kommen, werde ich deiner Mutter sagen, dass du draußen gespielt und dich verlaufen hast und ich losgezogen bin, um dich zu suchen. Verstanden?“ Er holte erneut aus, aber dieses Mal rollte Calli zur Seite, bevor er sie treffen konnte. Der Schwung warf ihn aus der Bahn, und er stolperte und fiel in einen Haufen dorniger Äste neben dem Weg.
    „Verdammt“, fluchte er, seine Hände blutig und zerkratzt. Calli war vor ihm auf den Füßen, ihre Beine angespannt, bereit, loszulaufen. Er griff nach ihr, und Calli wendete auf dem Fußballen, eine unbeholfene Pirouette. Griffs gerötete Hand wollte ihren Arm umfassen, berührte kurz die weiche, zarte Haut an der Innenseite. Dann riss sie sich los und war fort.

Antonia
    Ich sitze am Küchentisch, warte. Louis hat mir gesagt, ich solle nicht in Callis Zimmer gehen, dass sie vielleicht Callis Sachen durchsuchen müssten auf der Suche nach einer Spur, wohin sie gegangen sein könnte. Ich hatte ihn ungläubig angestarrt.
    „Was? Wie an einem Tatort?“, hatte ich ihn gefragt. Louis hat mich nicht angeschaut, als er antwortete, dass es vielleicht dazu kommen würde.
    Ich bin nicht so besorgt über ihr Verbleiben wie Martin über Petra, und ich frage mich, ob ich eine schlechte Mutter bin. Calli ist schon immer herumgestromert. In Supermärkten wende ich mich nur kurz ab, um das Etikett auf dem Erdnussbutterglas zu lesen, und schon ist sie weg. Ich laufe durch die Gänge, suche sie. Calli ist immer in der Fleischabteilung, direkt vor dem Hummerbecken, mit ihrem kleinen Finger gegen die Scheibe klopfend. Sie dreht sich dann zu mir um, schaut mich an, die Schultern sacken erleichtert nach unten, ein verlorener Gesichtsausdruck auf ihrem Gesicht. „Mom, tut es den Krebsen weh, wenn ihre Hände so zusammengebunden sind?“
    Ich zerzause ihr weiches, fliegendes braunes Haar und sage ihr: „Nein, das tut ihnen nicht weh.“
    „Vermissen sie denn das Meer nicht?“, beharrt sie. „Wir sollten sie alle kaufen und im Fluss aussetzen.“
    „Ich denke, sie würden ohne Meerwasser sterben“, erkläre ich. Dann klopft sie noch einmal vorsichtig an die Scheibe und lässt sich von mir wegführen.
    Natürlich war das früher, als ich mich noch nicht fragen musste, ob das nächste Wort jemals kommen wird. Bevor ich aus Träumen erwachte, in denen Calli mit mir sprach und ich versuchte, mich an den Klang ihrer Stimme zu erinnern, an ihre Tonlage, den Rhythmus.
    Ich habe ein Dutzend Mal versucht, Griff auf dem Handy zu erreichen. Nichts. Ich überlege, Griffs Eltern anzurufen, die in der Stadt wohnen, aber entscheide mich dagegen. Griff ist nie richtig mit seiner Mutter und seinem Vater klargekommen. Sie trinken noch mehr als er, und Griff ist seit über acht Jahren nicht mehr im gleichen Raum gewesen wie sein Vater. Ich denke, das ist eines der Dinge, die mich anfangs so zu Griff hingezogen haben. Die Tatsache, dass wir beide mehr oder weniger allein waren. Meine Mutter war gestorben, mein Vater weit weg in seiner eigenen Trauer über ihren Tod. Und Louis, nun, das war vorbei. Nicht mit einem großen Knall, sondern sanft, traurig. Griff hatte nur seine kritischen Eltern, denen alles egal war. Seine einzige Schwester war weit fortgezogen in dem Versuch, sich dem Stress und Drama, den das Leben mit zwei Alkoholikern als Eltern mit sich brachte, zu entziehen. Als Griff und ich einander gefunden haben, war es eine solche Erleichterung. Wir konnten wieder frei atmen, zumindest für eine Weile. Dann änderten sich die Dinge, wie sie es immer tun. So wie jetzt, wieder einmal, wo ich ihn nicht finden kann, wenn ich ihn brauche.
    Nervös falte und entfalte ich die Geschirrtücher aus der Küchenschublade und denke, ich sollte meine Brüder anrufen, ihnen sagen, was passiert ist. Aber der Gedanke daran, auszusprechen, dass Calli verschwunden ist, ist zu Furcht einflößend. Ich schaue aus dem Küchenfenster und sehe Martin und Louis aus Louis’ Auto aussteigen. Martins Hemd ist bereits von der Hitze des Tages durchnässt. Die Mädchen sind nicht bei ihnen. Ben wird sie finden. Sie denken gleich, und er wird sie finden.

Deputy Sheriff

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