Das Flüstern der Stille
Louis
Martin Gregory und ich gehen auf Tonis Haustür zu. Martin hatte kein Glück auf der Suche nach seiner oder Tonis Tochter, und ich hoffe, dass die Mädchen schon am Küchentisch sitzen und Tonis Pfannkuchen essen, oder dass sie bei den Gregorys aufgetaucht sind, wo Fielda auf sie wartet. Ich bin immer noch abgelenkt durch meinen Streit mit Christine am Telefon, und ich versuche, ihre scharfen Worte aus meinem Kopf zu verbannen.
Tonis Tür öffnet sich, bevor ich noch anklopfen kann, und da steht sie vor mir, so schön, in ihrem typischen Sommeroutfit – ein ärmelloses T-Shirt, Jeansshorts und nackte Füße. Die Sonne hat sie gebräunt, in den vielen Stunden, die sie im Garten zubringt oder draußen mit ihren Kindern spielt, nehme ich an.
„Ihr habt sie nicht gefunden“, stellt sie fest. Es ist keine Frage.
„Nein“, sage ich und schüttle den Kopf. Wir beide treten über die Schwelle in ihr Haus. Sie führt uns nicht wie vorhin ins Wohnzimmer, sondern in die Küche, wo schon eine Karaffe Eistee auf dem Tresen steht, zusammen mit drei eisgefüllten Gläsern.
„Es ist zu heiß für Kaffee“, erklärt sie und beginnt, den Tee einzuschenken. „Bitte, setzt euch“, lädt sie uns ein, und wir folgen ihr.
„Ist dir noch irgendetwas eingefallen, wo sie sein könnte?“, fragt Martin bittend.
„Ben ist immer noch im Wald und sucht sie. Er weiß, wo Calli hingehen würde“, antwortet Toni. Ihre Stimme klingt seltsam unberührt. Unglaublich, sie scheint nicht zu denken, dass irgendetwas fehlt.
„Geht Calli oft in den Wald?“, frage ich sie und wähle meine Worte sorgfältig.
„Es ist quasi ihr zweites Zuhause. So wie für uns damals, Lou“, sagt sie. Unsere Blicke treffen sich, und die Erinnerungen eines ganzen Lebens liegen in unseren Augen. „Sie geht nie weit, und sie kommt immer zurück. Sicher und gesund“, fügt sie hinzu. Ich denke, um Martin zu beruhigen.
„Wir erlauben es Petra nicht, ohne Begleitung eines Erwachsenen in den Wald zu gehen. Es ist zu gefährlich. Sie würde sich verlaufen.“ Martin klingt ein bisschen anklagend.
Ich denke immer noch daran, dass Toni mich „Lou“ genannt hat; etwas, was sie seit Jahren nicht mehr getan hat. Sie ist an dem Tag zu Louis zurückgekehrt, als sie sich mit Griff verlobt hat. Es war, als ob die formellere Verwendung meines Namens wie ein Puffer wäre, als ob ich nicht bereits alle ihre intimsten Geheimnisse kennen würde.
„Ben wird bald hier sein, Martin“, sagt Antonia beruhigend. „Wenn die Mädchen da draußen sind …“, sie zeigt mit ihren dünnen, starken Armen zum Wald, „… wird Ben sie nach Hause bringen. Ich kann mir nicht vorstellen, wohin sie sonst gegangen sein sollten.“
„Vielleicht sollten wir auch in den Wald gehen und nach ihnen suchen“, schlägt Martin vor. „Einen Suchtrupp organisieren. Ich meine, wie weit können zwei kleine Mädchen gekommen sein? Wenn wir eine Gruppe zusammentrommeln, können wir ein größeres Gebiet absuchen und hätten vielleicht eher eine Chance, sie zu finden.“
„Martin“, sage ich, „es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Mädchen in den Wald gegangen sind. Ich halte es nicht für richtig, alle Ressourcen auf ein Gebiet zu konzentrieren und dadurch vielleicht eine andere Spur zu vernachlässigen. Der Wald hat über fünftausend Hektar, und das meiste davon ist unerschlossen. Wenn sie dort sind, haben sie sich hoffentlich auf den Wegen gehalten. Wir haben einen Deputy da draußen“, ich zeige auf den anderen Polizeiwagen, der auf Clarks Auffahrt steht. „Ich denke jedoch, wir sollten die Öffentlichkeit darüber informieren, dass zwei Mädchen verloren gegangen sind.“
„Verloren gegangen?“, bellt Martin, sein Gesicht ist rot vor Wut. „Meine Tochter ist nicht verloren gegangen. Wir haben sie gestern Abend um halb neun ins Bett gebracht, und als ich heute Morgen aufgewacht bin, war sie nicht in ihrem Bett. Sie hatte ihren Pyjama an, mein Gott. Wann akzeptierst du denn endlich die Tatsache, dass irgendjemand sie aus ihrem Kinderzimmer geholt hat? Wann wirst du …“
„Martin, Martin, ich wollte nicht sagen, dass du oder Toni irgendetwas falsch gemacht habt“, versuche ich ihn zu beruhigen. „Es gibt keinen Anlass zu denken, dass sie entführt wurden, keine Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens. Ihre Turnschuhe sind weg, Martin. Denkst du, ein Einbrecher würde ihr erst die Schuhe anziehen, bevor er mit ihr verschwindet? Das ergibt doch keinen
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