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Das Flüstern der Stille

Das Flüstern der Stille

Titel: Das Flüstern der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Senn Heather Gudenkauf
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der ersten zwei bis drei Biere war er immer noch nett und lustig, kitzelte uns und zog Mom auf seinen Schoß, um sie zu umarmen. Er spielte Kartenspiele wie Mau-Mau oder Schwarzer Kater mit mir, oder er hielt Calli auf seinem Schoß fest und sang „Hoppe, hoppe, Reiter“.
    Aber nach dem vierten Bier änderte sich das. Dad begann, Mom wegen Kleinigkeiten anzumachen, weil sie sein Hemd nicht richtig aufgehängt hatte, weil der Küchenboden nicht ordentlich gewischt war. Er schrie sie an, weil sie zu viel Geld für Lebensmittel ausgebe, und danach, weil sie nichts Ordentliches zu Essen machte. Das Kartenspiel mit mir langweilte ihn, und er hörte mitten im Spiel auf, sogar wenn er am Gewinnen war. Und Calli ignorierte er nach dem vierten Bier einfach.
    Nach Bier Nummer sieben wurde er ungeduldig und wollte nicht mehr berührt werden. Wenn ich versuchte, mich neben ihn auf den Sessel zu quetschen, schob er mich von sich. Nicht fest, aber doch so, dass man verstand, er wollte in Ruhe gelassen werden. Mom nahm mich und Calli mit nach oben, um uns Geschichten vorzulesen. Ich zog meinen Schlafanzug an, ich erinnere mich daran, dass er weiß war und mit lauter grinsenden Clowns bedruckt, die Luftballons in den Händen hielten. Meinen Freunden gegenüber hätte ich es nie zugegeben, aber ich liebte diesen Schlafanzug. Wenn ich ihn nach dem Baden anzog, war es, als wenn ich in etwas Glückliches schlüpfte. Einmal allerdings, nach dem siebten Bier, hatte Dad gesagt, ich sähe in dem Schlafanzug aus wie eine „verdammte Schwuchtel“ und dass ich ihn verbrennen solle. Ich habe ihn danach nie wieder getragen. Stattdessen zog ich zum Schlafen ein altes T-Shirt von Dad an. Aber ich habe den Schlafanzug auch nicht weggeworfen. Er liegt immer noch ordentlich gefaltet unter meinen langen Unterhosen in der untersten Kommodenschublade. Ich persönlich finde nicht, dass es ein Schwuchtel-Pyjama ist; für mich bedeutete er Glück. Jedes fünfjährige Kind sollte einen Glücksschlafanzug haben.
    Nach dem zwölften Bier verließen wir das Haus. Wenn es tagsüber war und nicht regnete, nahm Mom uns auf einen Spaziergang in den Wald mit. Sie steckte Calli in dieses Tragetuch, das ihr vor dem Bauch hing, und dann marschierten wir los. Sie zeigte mir all die Plätze, an denen sie als Kind gespielt hatte. Willow Wallow, Lone Tree Bridge, und natürlich Willow Creek. Sie brachte uns zu der Stelle, wo der Bach am breitesten war und die großen Felsen aus dem Wasser schauten. Mom nahm Calli aus dem Tragegurt und legte sie in eine Decke gewickelt an einen schattigen Platz. Dann zeigte sie mir, wie sie den Fluss in nur fünfundzwanzig Sekunden überqueren konnte, indem sie von einem Stein zum nächsten sprang. Als sie jünger war, hatte sie es in fünfzehn Sekunden geschafft, drei Sekunden weniger, als ihr Freund gebraucht hatte. Ihr Freund, das wusste ich, war Deputy Louis gewesen, auch wenn sie seinen Namen niemals nannte. Er war einfach ihr „Freund“.
    Einmal, nach Bier Nummer zwölf, bevor wir losgegangen waren, sagte Mom irgendetwas über Louis, als sie noch Kinder gewesen waren, so ungefähr neun Jahre alt, und Dad ist nahezu explodiert. Er fing an, Mom zu beschimpfen, schmiss ihr alle möglichen Schimpfwörter an den Kopf und warf eine Bierdose nach ihr. Seitdem spricht Mom nicht mehr davon, wie sie als Kind war, wenn Dad in der Nähe ist.
    Nach einigen Stunden im Wald, wenn Dad sein wer weiß wievieltes Bier getrunken hatte, brachte Mom uns nach Hause. Bier Nummer wer-weiß-wieviel folgte normalerweise ein tiefer Schlaf. Wir hätten so viel Lärm machen können, wie wir wollten, Dad war dann vollkommen besinnungslos. Aber wir taten es nicht, wir blieben leise, schauten nicht einmal fern, wenn er sich in diesem Zustand befand. Ich habe mir immer ein wenig Sorgen gemacht, dass er aufwacht, während ich von einer Wiederholung meiner Lieblingsserie gefesselt war, und mir auf den Kopf haut, wenn ich nicht darauf vorbereitet bin.
    Ich wanderte durchs Haus, hielt meine Coladose so, wie Dad seine Bierdose hielt. Ich hielt sie in der rechten Hand und öffnete sie mit der linken, obwohl ich Rechtshänder bin. Ich übte, sie mir an den Mund zu setzen, einen großen Schluck zu nehmen und ihn in meinem Mund herumzurollen, bevor ich schluckte, dann ließ ich die Dose zu Boden fallen, wenn sie leer war. Mom hat mich einmal dabei erwischt. Sie hat mich lang und fest angeschaut, und für eine Minute habe ich gedacht, sie würde jetzt böse auf mich

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