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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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vertraut. Hatte mir ihr Leben anvertraut. Und doch hatte ich mal wieder einen Menschen auf die schlimmstmögliche Art im Stich gelassen.
    Ich spürte Angel am anderen Ende des Zimmers und schielte durch meine Wimpern. Er ließ den Kopf hängen, sein Blick verirrte sich immer mal wieder nach links, wo Reyes saß. Im Dunkeln. Er war da, das hatte ich ebenfalls mitbekommen. Er harrte geduldig neben mir aus, ohne mich zu berühren oder irgendwas von mir zu wollen, und sonderte Hitze ab wie eine Sanddüne in der Wüste.
    Angel würde sich nicht näher herantrauen. Nicht in Reyes’ Gegenwart. Er hatte Angst vor ihm. Vor Reyes hatten sogar die Toten Schiss.
    Ich zog mir wieder meine Decke über den Kopf und verbarg das Gesicht darin. »Du hättest ruhig was sagen können«, wandte ich mich an Angel. Meine Stimme drang gedämpft durch den dicken Stoff.
    »Sie hätten sich doch nur aufgeregt.«
    »Also bist du für zwei Tage abgetaucht.«
    Ich meinte zu spüren, wie er die Achseln zuckte. »Ich dachte halt, dann nehmen Sie weiter an, dass sie davongekommen ist, dass sie nie wieder aufkreuzen würde.«
    »Außer in ihrem Schlafzimmer in einer Blutlache.«
    »Ja, das hatte ich auch nicht für möglich gehalten.«
    »Ich wollte, dass sie glücklich wird«, erklärte ich. »Ich hatte alles genau geplant. Sie würde ein Hotel aufmachen, sich neu mit ihrer Tante anfreunden und glücklicher sein als in ihrem ganzen Leben.«
    »Sie ist jetzt glücklicher als in ihrem ganzen Leben. Bloß nicht so, wie Sie es wollten. Wenn Sie wüssten, wie es hier wirklich ist, wären Sie bestimmt nicht so traurig.«
    Ich seufzte. Aus irgendeinem Grund änderte dieses Wissen nicht allzu viel. »Was ist passiert?«
    »Sie hat alles richtig gemacht, so wie Sie es ihr gesagt hatten«, antwortete er. »Das Abendessen stand noch auf dem Herd, auf dem Nachttisch lag ihre Handtasche mit dem Portemonnaie darin, Schuhe und Mantel waren an der Garderobe geblieben. Er hätte nie im Leben Verdacht geschöpft.«
    »Und dann? Was hat’s versaut?«
    »Die Babydecke.«
    Ich richtete mich halb auf. Angel kratzte verlegen Lack von der Küchenbar und gab sich alle Mühe, nicht in Reyes’ Richtung zu peilen.
    »Sie fuhr noch mal zurück, um die Babydecke zu holen«, erklärte er.
    »Babydecke? Aber sie hatte doch gar kein Baby«, gab ich verwirrt zurück.
    »Wenn er sie nicht in den Bauch getreten hätte, hätte sie bald eins gekriegt.«
    Wieder zog ich mich unter die Decke zurück und kämpfte gegen brennende Tränen an.
    »Sie hat eine gestrickt. Eine gelbe, weil sie noch nicht wusste, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Irgendwann hat sie ihr bisschen Mut zusammengekratzt und ihm gesagt, dass sie schwanger war, und das war’s dann.«
    Ich kniff die Augenlieder zu und quetschte die nutzlosesten Tränen, die ich jemals vergossen hatte, aus den Augenwinkeln. Die Decke saugte sie auf, und ich wünschte mir von ganzem Herzen, dass sie mich gleich mit aufsaugte, dass sie mich mit Haut und Haaren verschlingen und die morschen Knochen anschließend ausspucken würde. Wozu war ich überhaupt auf der Welt? Um mich und meine Familie lächerlich zu machen? Um Menschen wehzutun, die mir nie zuvor begegnet waren?
    »Aber Zeke Herschel saß doch im Gefängnis«, wandte ich ein, weil ich das Geschehene einfach nicht akzeptieren konnte.
    »Er hat fast im selben Moment, wo er eingebuchtet wurde, die Kaution hinterlegt. Sein Cousin ist Kautionsagent.«
    Das war mir bekannt gewesen, ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass Rosie noch mal umkehren würde.
    »Herschel erwischte sie, als sie aus dem Haus kam. Ihr Blick verriet ihm, was sie vorhatte.« Angel kaute einen Moment auf der Unterlippe, bevor er den Faden wieder aufnahm: »Nachdem er … es getan hatte, fand er in ihrer Tasche Ihre Visitenkarte und zählte zwei und zwei zusammen.«
    Wir schwiegen lange, während ich mir über meine Rolle in dieser Welt klar zu werden versuchte. Offenbar ging ich die ganze Schnittersache vollkommen falsch an. Vielleicht war das ja das Grundübel. Oder es gab gar keinen gangbaren Weg. Vielleicht musste ich mein Leben einfach leben, ohne anderen Menschen helfen zu wollen, ohne deren Probleme in die Hand zu nehmen, ob es sich nun um Lebende oder Tote handelte.
    »Es war nicht Ihre Schuld, wissen Sie«, sagte Angel nach einer Weile.
    »Ja klar«, sagte ich tonlos und fühlte eine überwältigende Niedergeschlagenheit. »Wahrscheinlich hat Rosie es selbst vermasselt. Geben wir doch ihr die

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