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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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So lag ich erschöpft da, ließ ihn nicht aus den Augen, und meine Gedanken überschlugen sich in hundert verschiedene Richtungen, während ich unter seinem Gewicht ächzte. Dann huschte eine seltsame, beunruhigende Regung über sein Gesicht. War es … Scham?
    »Ich bin nicht er «, zischte er mit zusammengebissenen Zähnen, konnte mir aber nicht in die Augen sehen.
    Er log. Eine andere Erklärung gab es nicht. »Wer sonst trägt dieses Zeichen?«, wollte ich wissen, wobei ich versuchte, zutiefst angewidert zu klingen, jedenfalls bloß nicht verletzt und enttäuscht. Ich hob den Kopf an, bis wir nur noch Millimeter voneinander entfernt waren. Er roch wie ein Gewitter, das baldigen Regen verspricht. Und er glühte, wie üblich. Und er war genauso atemlos wie ich. Das hätte mich vielleicht trösten sollen, tat es aber nicht. »Wer sonst in dieser oder der nächsten Welt?«
    Als er nicht antwortete, wollte ich mich abermals unter ihm hervorwinden. »Hiergeblieben«, befahl er mit rauer, heiserer, qualvoller Stimme. Er packte meine Handgelenke fester. »Ich bin nicht er.«
    Ich ließ den Kopf sinken und schloss die Augen. Derweil rückte er sich auf mir zurecht, um mich noch fester umklammern zu können.
    »Wer sonst in dieser oder der nächsten Welt trägt dieses Zeichen?«, fragte ich noch einmal. Ich funkelte ihn anklagend an. »Das Zeichen des Tieres. Wem sonst wurde der Schlüssel zur Hölle auf den Leib gebrannt? Wem, wenn nicht ihm?«
    Er barg den Kopf an seiner Schulter, als wollte er sein Gesicht vor mir verbergen. Dann strich ein schwerer Seufzer über meine Wange. Als er sprach, klang eine so tiefe Scham aus seiner Stimme, eine solche Entrüstung, dass ich an mich halten musste, um nicht zurückzuschrecken. Denn was er sagte, verschlug mir den Atem.
    »Sein Sohn.« Dann sah er mich an, musterte meinen Gesichtsausdruck, um herauszufinden, ob ich ihm glaubte. »Ich bin sein Sohn.«
    Was für ein Schock. Aber das war unmöglich.
    »Ich habe mich Jahrhunderte vor ihm verborgen gehalten«, fuhr er fort, »und auf dich gewartet, bis du das Licht der Welt erblicktest. Der Himmelsgott schickt nicht oft einen Schnitter, und bevor du kamst, war ich jedes Mal so enttäuscht, fühlte ich mich so verloren.«
    Meine Lider flatterten. Ich war total verwirrt. Woher wusste er das alles? Doch die weit wichtigere Frage lautete: »Wieso warst du enttäuscht?«
    Ehe er antwortete, wandte er, als würde er sich schämen, das Gesicht ab. »Wieso muss die Erde von der Sonne gewärmt werden?«
    Ich runzelte die Stirn, wollte ihn verstehen.
    »Wieso braucht der Wald den sanften Regen?«
    Ich schüttelte den Kopf, doch er fuhr unbeirrt fort.
    »Als ich wusste, dass er dich schicken würde, suchte ich mir eine Familie aus, um ebenfalls in diese Welt geboren zu werden. Um zu warten und zu beobachten.«
    Nach einem Augenblick fragte ich ziemlich entsetzt: »Und da verfielst du ausgerechnet auf Earl Walker?«
    Er verzog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln, während er seinen Blick über mein Gesicht schweifen ließ. Dann gab er eine meiner Hände frei und strich mit den Fingerspitzen den Arm entlang bis zu meinem Hals. »Nein«, antwortete er und sah mich starr an, wie hypnotisiert. »Ein Mann nahm mich meiner Familie weg und behielt mich eine Zeit lang, schließlich verkaufte er mich an Earl Walker. Da ich wusste, dass ich mich, solange ich ein Mensch war, nicht an meine Vergangenheit erinnern würde, gab ich alles auf, um bei dir zu sein. Ich wusste nicht, wer ich war … was ich war, bis ich für einige Jahre ins Gefängnis musste. Dort kam die Erinnerung Stück für Stück zurück, in zusammenhanglosen Träumen, wie ein Puzzle, für das man Jahrzehnte braucht.«
    »Dann hattest du bei deiner Geburt keine Ahnung, wer du warst?«
    Er hielt meine Handgelenke ein wenig lockerer. »Nein. Aber ich forschte gründlich nach. Ich hätte eine glückliche Kindheit haben, auf dieselben Schulen wie du gehen sollen. Auf dasselbe College. Ich wusste vorher, dass ich als Mensch keine Macht über mein Schicksal haben würde, aber das war mir egal.«
    »Aber du bist sein Sohn«, sagte ich und gab mir alle Mühe, ihn zu hassen. »Satans Sohn.«
    »Und du die Stieftochter von Denise Davidson.«
    Wow. Das war ein bisschen grob, aber meinetwegen. »Schön, ist angekommen.«
    »Sind wir nicht ebenso das Produkt der Welt, in die wir hineingeboren wurden, wie das der Eltern, die wir uns nicht aussuchen konnten?«
    Diesen Streit um Vererbung und

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