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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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übernatürlichen Erscheinungen zu Leibe rücken natürlich«, entgegnete ich spöttisch lächelnd.
    Phillimore schüttelte den Kopf. »Die Revolver liegen alle unten im Waffenschrank. Mein Vater ist der einzige, der einen Schlüssel hat.«
    »Nun ja«, bemerkte ich resigniert, »dann müssen wir es eben ohne Waffen hinkriegen. Das Weinen kommt von oben. Was befindet sich über unseren Köpfen?«
    »Das Turmzimmer, wo Vater den Geist gesehen hat.«
    »Zeig mir das Turmzimmer!«, rief ich.
    Angespornt durch die Dringlichkeit in meiner Stimme, eilte Phillimore mir voraus. Wir erklommen die steile Wendeltreppe in einem Turm, die auf ein flaches Dach führte. Am Rande des Dachs ragte ein zweiter runder Turm empor, der etwa zehn Fuß über dem Dach von einer kleinen Galerie umgeben war.
    »Gütiger Gott!«, rief Phillimore und blieb so plötzlich stehen, dass ich ihn fast umgerannt hätte. Erst nachdem ich mein Gleichgewicht wiedererlangt hatte, sah ich, was meinen Freund so erschreckt hatte. Auf der Galerie stand, deutlich erkennbar im Mondlicht, ein kleiner Junge. Und was soll ich dir sagen, Watson – von seinem Körper und seiner Kleidung ging ein überirdisches Leuchten aus! Der Junge weinte und wehklagte herzzerreißend.«
    »Siehst du, was ich sehe, Holmes?«, fragte Phillimore.
    »Ich sehe den kleinen Schurken, wer immer er sein mag!«, entgegnete ich grimmig und rannte auf den Turm zu.
    Plötzlich verschwand die Gestalt, als hätte sie sich in Luft aufgelöst.
    Ich eilte zu dem Turm und suchte nach einer Möglichkeit, auf die Galerie zu klettern. Vom Dach aus kam man nur durch eine kleine Tür in den Turm, die von innen verriegelt war.
    »Los, Phillimore, der Junge flieht!«, rief ich.
    Plötzlich stand der Colonel, nur mit einem Pyjama bekleidet, hinter uns. »So, so, er flieht also! Fliehende Gespenster, wie? Das gibt es nicht! Jetzt habt ihr es auch gesehen und könnt nicht mehr behaupten, ich sei verrückt, wie? Na, immerhin!«
    Ich ignorierte das Gezeter des alten Herrn und fragte statt dessen Jack: »Wie komme ich in den Turm?«
    Phillimore schien zu befürchten, dass sein Vater zusammenbrechen könnte. Er ging zu ihm und hakte ihn unter. »Der Turm wird seit Jahren nicht mehr genutzt, Holmes«, erklärte er.
    »Nun, es gibt zumindest eine Person, die ihn genutzt hat«, versetzte ich. »Das war kein Geist. Irgendjemand will euch hinters Licht führen. Wir sollten die Polizei rufen.«
    Der Colonel jedoch war nicht bereit, mit sich reden zu lassen, und zog sich wortlos zurück, während ich den Rest der Nacht damit verbrachte, zu prüfen, wie sich jemand Zugang zum Turm hatte verschaffen können. Tür und Fenster waren verriegelt. Dennoch war ich mir sicher, dass es sich bei der »Erscheinung« um keinen Geist handelte. Als ich auf den Turm zugeeilt war, hatte sie mich verdutzt angeschaut, ehe sie verschwand. Diese Blöße hätte sich ein Schlossgespenst nie gegeben, soviel stand fest!
    Am nächsten Morgen versuchte ich am Frühstückstisch erneut, den Colonel zu überreden, die Polizei hinzuzuziehen. Er hatte sich inzwischen ein wenig beruhigt und hörte mir aufmerksam zu. Es war Agnes, bei der ich auf unerwarteten Widerstand stieß. Sie beharrte weiterhin darauf, dass ihr Vater das Haus verkaufen und nach Dublin ziehen solle.
    Wir hatten das Frühstück fast beendet, als Malone Professor Moriarty ankündigte. Agnes begab sich in die Bibliothek, um ihn dort zu begrüßen, während wir drei am Tisch sitzenblieben und ich den Colonel schließlich überzeugte, meinen Rat zu befolgen. Wir wurden uns einig, dass wir umgehend zum Revier der Königlich Irischen Polizei aufbrechen wollten, um dem örtlichen Inspektor vom vermeintlichen Spuk zu berichten.
    Als wir Professor Moriarty auf den neuesten Stand brachten, pflichtete er mir bei und bot sich an, uns zu begleiten. Agnes dagegen schien nicht überzeugt und entfernte sich, um, wie sie schroff erklärte, im Weinkeller eine Bestandsaufnahme zu machen.
    Phillimore senior und junior, der Professor und ich wollten die zwei Meilen bis in die Stadt zu Fuß zurücklegen. Vielleicht sollte ich dazu sagen, dass zwei Meilen Fußweg bei den Bewohnern ländlicher Gebiete als bloßer Katzensprung gelten, damals noch mehr als heute. Hier in London bestellt man sich gleich eine Droschke, auch wenn man nur ein lachhaftes Stück fahren will. Jedenfalls verließen wir das Haus und machten uns auf den Weg. Nach etwa zwanzig oder dreißig Schritten blickte Colonel Phillimore

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