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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Schlafzimmer im ersten Stock lag Mycroft Holmes auf einem Bett, an Händen und Füßen gefesselt. Er hatte überall blaue Flecke und eine klaffende Wunde über dem linken Auge. Von seinen Fesseln befreit, richtete er sich auf uns rieb sich die Gelenke. Schließlich lächelte er seinen Bruder an und bemerkte ironisch: »Du hast dir aber beim Entziffern meines Kryptogramms ordentlich Zeit gelassen. Ich hatte bereits gestern mit dir gerechnet.«
    »Und ich hatte damit gerechnet, dass du nicht mehr lebst«, versetzte der jüngere Bruder. »Wieso hat man dich überhaupt am Leben gelassen?«
    »Sie wollten mich zweifellos in irgendeinen Sumpf hier in der Gegend werfen, aber vorher wollten sie herausfinden, was ich weiß und wem ich davon erzählt habe. O’Keefe sollte heute oder morgen hier eintreffen, und dann …« Er zuckte mit den Schultern. »Wo steckt er überhaupt?«
    »Vermutlich hat ihn der gute Superintendent Mallon längst verhaftet«, antwortete mein Freund.
    »Wunderbar! Ein richtiger Fanatiker, dieser O’Keefe. Einer von der schlimmsten Sorte. Doch ich vermute, er war nur ein Strohmann, und die eigentlichen Drahtzieher waren hochgestellte Persönlichkeiten aus politischen und militärischen Kreisen, die eine Übertragung der Macht in die Hände der Iren hintertreiben wollten.«
    »Also war O’Keefe deiner Meinung nach nur ein winziges Rädchen im Getriebe?«
    »Ein überaus wichtiges Rädchen«, verbesserte Mycroft Holmes. »Schließlich bildete er die Schnittstelle zwischen den Drahtziehern und den Handlangern, die gedungen waren, die üble Tat auszuführen.«
    Holmes stieß einen tiefen Seufzer aus. »Dann schlage ich vor, wir fahren jetzt zurück nach Dublin und hören uns O’Keefes Geständnis an.«
     
    Doch es sollte anders kommen. Superintendent Mallon hatte sich, wie wir erfuhren, nicht sehr subtiler Methoden bedient. Mit einer Dutzendschaft von Polizisten der Dubliner Hauptstädtischen Polizei hatte er das Haus am Merrion Square gestürmt. Während die Männer die Treppen hinaufpolterten, vernahmen sie einen Schuss. Als sie die Tür von O’Keefes Wohnung aufbrachen, fanden sie seine Leiche. Er hatte sich selbst mit einem Kopfschuss gerichtet.
    Mallon wurde seine Vorgehensweise nicht zum Vorwurf gemacht; im Gegenteil, er war der Held des Tages. Zwischen dem 14. Mai und dem 9. Juni des folgenden Jahres wurden fünf Mitglieder der Invincibles hingerichtet für ihre Schuld an den Morden im Phoenixpark. Acht weitere Mitglieder der Vereinigung erhielten langjährige Haftstrafen. Einige Monate später wurde der Mann, der als Kronzeuge aufgetreten war und durch seine Aussage fünf seiner Mitstreiter in den Tod geschickt hatte, auf dem Schiff »Mel rose Castle« vor der Küste Kapstadts in Südafrika von einem Iren erschossen. Als Organisation verschwanden die Irish Invincibles so schnell wieder von der Bildfläche, wie sie darauf erschienen waren.
    Holmes indessen betrachtete diesen Fall als einen, in dem er versagt hatte, weil er die Täter nicht rechtzeitig genug identifiziert hatte, um die Morde an den beiden Politikern verhindern zu können. Die öffentliche Entrüstung über die Morde im Phoenixpark setzte die Regierung derart unter Druck, dass sie den Vertrag von Kilmainham widerrief. Parnell und vier seiner Mitstreiter, die man erst vor vier Tagen aus dem Gefängnis entlassen hatte, mussten allerlei Schikanen erdulden; einige von ihnen wurden erneut inhaftiert. Gladstone sah sich gezwungen, seine Bemühungen um ein selbstverwaltetes Irland einzustellen, die Annahme der Gesetze für die Veränderung der Pachtgesetze zu verhindern und weitere Zwangsvertreibungsgesetze in Irland einzuführen. Massive Truppenverstärkungen trafen aus England ein. Gerade noch hatte Irland vor einer friedlichen Lösung seiner Probleme gestanden; jetzt wurde es wieder ins Chaos zurückgeworfen.
    Wer auch immer O’Keefe als Strohmann benutzt hatte, um auf die Irish Invincibles einzuwirken, nahm sein Geheimnis mit ins Grab. Die Drahtzieher wurden bis heute nicht ermittelt.
    Zu seiner eigenen Sicherheit wurde Mycroft Holmes mit der persönlichen Unterstützung Gladstones von Dublin Castle nach London versetzt, wo er als ressortübergreifender Regierungsberater tätig wurde. Lord Maynooth, der Gouverneur einer der australischen Kolonien wurde, war vom Unglück verfolgt: Sein zweitältester Sohn wurde in seiner Wohnung in der Park Lane in seinem geschlossenen Schlafzimmer erschossen aufgefunden. Holmes gelang es, Colonel

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