Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)
menschlichen Schädeln und einen Gurt aus lebenden Schlangen trägt. Diesen Glauben teile ich nicht.«
Sir Rupert gitftete höhnisch. »Hindu ist Hindu«, befand er.
Statt sich gekränkt abzuwenden, fragte Inspektor Jayram interessiert nach: »Tatsächlich? Ich nehme an, Sie sind Christ, Sir Rupert?«
»Selbstverständlich! Was tut das zur Sache?«
»Dann verehren Sie gewiss den Papst in Rom als Heiligen Vater und Vertreter Gottes auf Erden, nicht wahr?«
»Keineswegs! Ich gehöre der anglikanischen Kirche an!«, versetzte Sir Rupert empört.
Jayram lächelte sanft. »Aber ich dachte, Christ ist Christ. Oder habe ich mich etwa getäuscht, Sir Rupert?«
Sir Rupert stieg die Röte ins Gesicht, wohingegen sich Pater Cassian köstlich amüsierte. »Diese Runde geht an den Inspektor«, brachte er lachend hervor.
»Wenn ich mich recht entsinne, war es der heilige Pelagius, der sagte, Etiketten seien dazu da, den Menschen das Denken zu ersparen. Pelagius war eng befreundet mit Augustinus, nicht wahr?«
Pater Cassian strahlte Jayram an und bemerkte anerkennend: »Sie sind sehr belesen, Inspektor.«
Sir Rupert knurrte und wollte gerade etwas einwenden, als ihn Lord Chetwynd Miller unterbrach: »Es waren in der Tat die Priester der Virabhadra-Sekte, die den Fluch aussprachen.«
Royston steckte sich eine seiner indischen Zigarren an, die er denen vorzog, die sein Gastgeber bereithielt. »Würden Sie mir gestatten, diesen außergewöhnlichen Stein einmal zu berühren, Eure Exzellenz?«
Sir Chetwynd lächelte tolerant. »Nur zu«, sagte er. »So bald werden Sie nicht mehr Gelegenheit dazu haben. Wenn er in England eintrifft, wird er bestimmt zu den Kronjuwelen in den Tower gebracht.« Er holte einen kleinen Schlüssel aus seiner Westentasche, steckte ihn ins winzige Schloss und öffnete die Schatulle. Betont nachlässig nahm er den funkelnden Stein von seinem weißen Kissen und gab ihn Royston. Dieser hielt das Juwel zwischen Daumen und Zeigefinger ans Licht, betrachtete es voller Bewunderung und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Ich habe in meinem Leben schon so einige Edelsteine gesehen, aber dieser ist wirklich etwas Besonderes. Allein schon der ausgefallene Schliff!«
»Kennen Sie sich mit Edelsteinen aus, Royston?«, fragte Sir Rupert neugierig.
Dieser zuckte die Achseln. »Ich will mich nicht als Fachmann rühmen, aber ich habe eine Zeitlang mit Juwelen gehandelt und bin daher nicht völlig ahnungslos.«
Er reichte den Rubin weiter an Pater Cassian, der ihn ebenfalls ans Licht hielt. Seine Hand zitterte ein wenig, aber seine Stimme war gelassen, als er sagte: »Der Stein ist hübsch, aber seinen wahren Wert würde er meiner Meinung nach erst als Teil der Statue wiedererlangen. Das Gesamtkunstwerk, der Versuch, von Menschenhand etwas Schönes, Majestätisches zu schaffen, beeindruckt mich mehr als ein einzelner Edelstein.«
Sir Rupert kommentierte diese Aussage mit einem verächtlichen Schnauben und streckte die Hand nach dem Stein aus, doch Pater Cassian schien zu zögern.
In diesem Augenblick hörte man von draußen Gepolter und laute Stimmen. Lieutenant Tompkins sprang auf, schritt zur Tür und öffnete sie. Auf der Schwelle stand Lady Chetwynd Miller, eine zierliche, aber resolut wirkende Dame Mitte fünfzig.
»Entschuldigen Sie die Störung, meine Herren«, sprach sie in gemessenem Ton. Dann jedoch wandte sie sich ihrem Gatten zu und sagte leise: »Mein Lieber, Devi Bhadra hat mir soeben berichtet, dass die Dienerschaft in deinem Arbeitszimmer einen Einbrecher erwischt hat.«
Lord Chetwynd Miller warf Inspektor Jayram einen erstaunten Blick zu, ehe er sich erhob und auf seine Frau zuging. Tompkins trat höflich beiseite, um ihm Platz zu machen. Der Resident legte die Hand beschwichtigend auf den Arm seiner Gattin. »Mach dir keine Sorgen, Liebes«, sagte er. »Geh nur zurück in den Salon zu den anderen Damen. Wir werden uns um alles kümmern.«
Lady Chetwynd Miller schien kurz zu zögern, verabschiedete sich dann aber mit einem flüchtigen Lächeln von den Gästen und zog sich zurück.
»Tompkins«, sagte der Resident zu seinem Adjutanten, »Devi Bhadra soll den Schurken herbringen.«
Mit einem gequältem Lächeln wandte er sich an Inspektor Jayram. »Ihr Informant hatte recht, wie es scheint. Sie können den Mann gleich verhaften.«
Jayram wirkte ein wenig ratlos. »Juristisch ist dies britischer Boden, Eure Exzellenz. Aber wenn Sie es wünschen, dass ich tätig werde … Schauen wir uns
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