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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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den Kerl erst einmal an.«
    Lieutenant Tompkins kehrte zurück, dicht gefolgt von Devi Bhadra und einem stämmigen Sepoy, einem indischen Soldaten, aus dem von Foran angeführten Achten Infanterieregiment von Bombay. Sie schleppten einen dünnen Mann herein, der mit einem schmutzigen
dhoti,
dem typischen Lendenschurz der Hindus, einem nicht minder schmutzigen Turban und einem offenen Überwurf bekleidet war. Um den Hals trug er an einem Lederriemen ein Talmi-Schmuckstück.
    Der Resident nahm Platz und schaute den Mann mit finsterer Miene an. »Bringt ihn ans Licht, damit ich ihn besser sehen kann«, befahl er.
    Der Gefangene erwies sich als junger, hübscher Mann, dessen Gesicht aber durch einen verdrießlichen Ausdruck entstellt war. Den Kopf hielt er gesenkt. Devi Bhadra versetzte ihm einen Stoß nach vorn, so dass er im Lichtkreis der Lampen stand.
    »Ich habe ihn durchsucht, Sahib. Er ist nicht bewaffnet.«
    »Verstehst du Englisch?«, fragte Sir Chetwynd, doch der Mann schwieg.
    Auf ein Zeichen seines Herrn sprach Devi Bhadra den Fremden auf Gujarati, der Landessprache, an, erhielt aber ebenfalls keine Antwort.
    »Vielleicht reagiert er, wenn er Hindi hört«, schlug Inspektor Jayram vor.
    Devi Bhadra tat, wie ihm geheißen, aber ohne Erfolg.
    »Da haben Sie sich wohl geirrt«, kommentierte Royston schadenfroh.
    Inspektor Jayram erhob sich, trat auf den Mann zu und betrachtete ihn nachdenklich von Kopf bis Fuß. Als sein Blick auf den Halsschmuck fiel, redete er in einem unverständlichen Dialekt auf den Gefangenen ein. Dieser nickte widerstrebend.
    »Verzeihung, der Mann spricht einen wenig bekannten Dialekt, Munda, den ich zum Glück beherrsche. Folglich stammt er aus Betul.«
    »Betul?«, wiederholte Sir Chetwynd. Als er die mögliche Bedeutung dieser Aussage erfasste, riss er erstaunt die Augen auf.
    Jayram deutete auf den Anhänger. »Das ist das Symbol der Virabhadra-Sekte.«
    »Tatsächlich? Dieser Halunke!«, stieß Sir Chetwynd Miller hervor.
    »Nun ja«, bemerkte Gregg auf seine träge Art, »falls er dieses kleine Steinchen gesucht hat, so hat er das Nachsehen. Hier ist es.«
    Er zeigte dem Gefangenen den Rubin. Dieser sog scharf die Luft ein und trat einen Schritt nach vorn, als wollte er nach dem Stein greifen, doch Devi Bhadra und der Sepoy hielten ihn zurück.
    »Was geht hier vor?«, blaffte Major Foran. »Wollte der Schuft etwa den Rubin stehlen?«
    »Möglicherweise wollte er ihn auch seinen rechtmäßigen Besitzern zurückgeben«, bemerkte Pater Cassian. »Alles eine Frage der Sichtweise.«
    »Wie hast du ihn erwischt, Devi Bhadra?«, fragte Sir Chetwynd, ohne den Priester zu beachten.
    »Eines der Hausmädchen hörte ungewohnte Geräusche in Ihrem Arbeitszimmer, Sahib. Sie hat mich gerufen, und ich bin ins Zimmer gegangen, um nachzusehen. Der Tresor stand offen, und dieser Bursche war gerade dabei, aus dem Fenster zu klettern. Ich habe ihn mir geschnappt und nach einem der vor dem Haus wachhabenden Sepoy gerufen.«
    »Fehlte etwas aus dem Tresor?«
    »Ich habe den Mann durchsucht, Sir. Er hatte nichts eingesteckt.«
    »Also war es eindeutig der Stein, auf den er aus war«, folgerte Gregg selbstzufrieden. »Sie haben uns ein vielseitiges Abendprogramm geboten, Exzellenz!«
    Plötzlich brach aus dem Gefangenen ein Redeschwall hervor, dem Inspektor Jayram zu folgen versuchte. Ab und zu nickte er.
    »Der Mann«, berichtete er, »sagt, dass das Auge Shivas in den Virabhadra-Tempel zurückgebracht werden müsse. Er sei kein Dieb, sondern der verlängerte Arm des Gottes, der sein rechtmäßiges Eigentum zurückfordert.«
    »Das ist alles schön und gut«, stellte der Resident fest, »doch für mich ist und bleibt er ein Dieb, und ich werde dafür sorgen, dass er zur Rechenschaft gezogen wird. Wie Gregg bereits bemerkte, können wir froh sein, dass sich der Stein hier bei uns und nicht im Tresor befand.«
    Major Foran hatte sich von Gregg den Stein geben lassen und ihn nachdenklich betrachtet. Nun hielt er ihn dem Gefangenen hin und fragte höhnisch: »Den hättest du wohl gern mitgenommen, wie?«
    Auf das, was als nächstes geschah, war niemand vorbereitet. Devi Bhadra und der Sepoy, abgelenkt durch den glitzernden Edelstein, lockerten ihren Halt, eine Chance, die der kräftige junge Mann nutzte, um sich loszureißen. Ehe sich der Major versah, riss er ihm den Stein aus der Hand und stürzte flink und wendig wie ein Berglöwe zum Fenster, wo er sich gegen die Läden warf, bis sie krachend nachgaben,

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