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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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wie bist du drauf gekommen?«
    »Abgesehen von allem anderen, wäre es ein echter Totschlag gewesen, hättest du nie zugelassen, dass ich den Fall untersuche. Außerdem wusstest du, dass ich den Abt befragen und gegen ihn Anklage erheben müsste. Und weil ich bisher nur den Grad eines
clí
erlangt habe, hätte ich ihn nicht in gebührender Weise verhören können.«
    »Du hast es dennoch getan. Hat der Abt dir nicht Ehrfurcht und Scheu eingeflößt, denn das hatte er sich vorgenommen?«
    »Sobald ich begriff, hier geht es um ein abgekartetes Spiel, habe ich meine Rolle gespielt, genauso wie er.«
    Brehon Morann wiegte nachdenklich das Haupt.
    »Diese Fähigkeit, eine Rolle zu übernehmen, wird dir bei deinem Auftreten vor Gericht zustatten kommen, wenn du Leute ins Kreuzverhör zu nehmen hast, um ihnen die Wahrheit zu entlocken. Mich hast du sehr beeindruckt.«
    »Ich begriff, unsere Vorrede, das Gespräch, das wir anfangs hatten, sollte mich auf die Aufgabe vorbereiten, mich gegen die aufsteigende Macht der Bischöfe und Priester des Neuen Glaubens zu behaupten. Dieser Aspekt war dir wichtig, wusstest du doch, dass ich in Kürze in die Abtei Kildare eintreten werde.«
    »In der Tat, so ist es. Du wirst mit vielen theologischen Fragen konfrontiert werden, die sich als unvereinbar mit dem Gesetz darstellen, für das du zu wirken geschworen hast und das du verteidigen willst. Du besitzt einen scharfen Verstand, Fidelma. Ehrlich, du bist meine beste Studentin gewesen.«
    »Beste Studentin
gewesen
?«, fragte sie erstaunt.
    »Du hast das Examen bestanden«, erwiderte der Rektor der Hohen Schule. »Nächste Woche erhältst du die Ernennung zur
anruth
… Doch …«, fuhr er rasch fort, als er sah, wie sich ein Lächeln über ihre Züge breitete, »…ich bin wie Abt Biotan der Meinung, Fidelma, du tätest gut daran, dich bei deinen Studien gründlich mit theologischen Fragen zu befassen, da du nun ins Klosterleben eintreten willst. Dir ist die Geschichte von Ananias und Sapphira nicht fremd, doch hast du sie als einen Mordfall betrachtet und das Motiv für den Mord darin gesehen, dass das Paar seinem freien Willen nach einen Teil der Schenkung an die Kirche für sich behielt.«
    Fidelma schwieg einen Augenblick. »Kann man denn diese Geschichte noch anders auslegen?«
    »Schau in die Gesetzessammlung der Brehons. Habe ich dich nicht gelehrt, das wirklich Große ist die Wahrheit und wird sich letzten Endes durchsetzen?«
    »Ja, das hast du.«
    »In alten Tagen glaubte man, einem Richter, der ein falsches Urteil fällte, würde eine Schwellung im Gesicht wachsen und so seinen Irrtum bekunden.«
    Fidelma machte eine ungeduldige Handbewegung. »Das habe ich doch schon vor Jahren gelernt.«
    »Dann denke darüber nach, was in der Heiligen Schrift damit gemeint ist. Geht es nicht darum, dass die Wahrheit der Schlüssel zu allem ist? Die Geschichte handelt nicht von dem Gebot
Non occides
oder ›Du sollst nicht töten‹, sondern von dem Gebot
Non loqueris contra proximum tuum falsum testimonium
– ›Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten‹. Auch uns ist diese Mahnung zur Wahrheit lieb und teuer, sie wird von uns heilig gehalten im Gesetz. Nichts anderes hat der Neue Glaube mit dieser Geschichte lehren wollen. Wer lügt, muss bestraft werden. Nun geh und denke darüber nach.«
    Draußen vor Brehon Moranns Tür blieb Fidelma stehen. Missmutig krauste sie die Nase.

Das Flüstern der verlorenen Seelen
     
    »Wer den armen Bruder Síoda ermordet hat, liegt so klar auf der Hand, dass es mir Sorgen bereitet.«
    Schwester Fidelma, die es gewohnt war, den rundlichen Abt Laisran heiter lächelnd zu sehen, blickte ihn erstaunt an. Sie hatte gerade einen Schluck von ihrem Glühwein nehmen wollen, hielt aber mitten in der Bewegung inne, um zu sagen: »Ich verstehe nicht, Laisran.«
    Gemeinsam mit ihrem alten Mentor hatte sie sich vor dem lodernden Kaminfeuer in seiner Kammer in der großen Abtei Durrow niedergelassen. Abt Laisran saß ihr in gebeugter Haltung gegenüber, sein Wein stand unbeachtet auf dem geschnitzten Eichentisch neben ihm. Er starrte missmutig in die tanzenden Flammen. »Die Sache ist mir zu einfach. Das bereitet mir Unbehagen. Manchmal stellt man fest, dass ein scheinbar einfacher Sachverhalt nur deshalb einfach ist, weil jemand nachgeholfen hat. Bei diesem Fall fügen sich die Umstände so nahtlos ineinander, dass ich skeptisch geworden bin«, erklärte er.
    Fidelma stieß einen resignierten

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