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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Gesetzeswerk. Und somit wiederhole ich: zwei Menschen wurden auf ihrem Bauernhof getötet. Sie wurden ermordet. Die Hand eines Menschen hat sie erschlagen. Aus dem Beweismaterial ergibt sich, es war deine Hand, Abt Biotan, die sie niederstreckte. Du hast die Tat gestanden. Du behauptest, die beiden hätten deine Kirche betrogen, weil sie die fällige Abgabe, den
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, hinterzogen, den sie deiner Abtei schuldeten. Du hast sie erschlagen, als sie sich weigerten, die Zahlung zu leisten. Zu deiner Verteidigung führst du die Geschichte von Ananias und Sapphira aus der Heiligen Schrift an, die der Schlag traf, weil sie die Kirche betrogen. Du verteidigst dich damit, du wähntest, ein Werkzeug Gottes zu sein, wenn ich dich recht verstanden habe. Wenn Gott sie also getötet hat, übertritt dann Gott nicht seine Gebote und stellt sich folglich über das Gesetz?«
    »Willst du behaupten, dass auch Gott sich vor dem Gesetz zu verantworten hat?«
    »Das ist eine theologische Streitfrage. Gelegentlich frage ich mich, wenn ich über solche Geschichten aus der Bibel nachdenke, ob Gott seine eigenen Gebote befolgt, die er, wie es in der Heiligen Schrift heißt, dem Propheten Moses übergab, auf dass alle Menschen ohne Ausnahme sich daran halten. Ich aber bin hier, um das Gesetzeswerk des Fénechus auszulegen, nicht um über theologische Hypothesen zu disputieren. Und dass du, Abt, nicht über dem Gesetz stehst, ist eine unumstößliche Tatsache.«
    »Worauf willst du hinaus, Fidelma?«, fragte Brehon Morann geduldig.
    »In dem Fall, der in der Apostelgeschichte angeführt wird, wurden Ananias und Sapphira von einer unbekannten Macht erschlagen, und mutmaßlich war das dem Einschreiten Gottes zuzurechnen. Darf ich die Stelle zitieren?
Audiens autem Ananias haec verba cecidit et expiravit …
›Da aber Ananias diese Worte hörte, fiel er nieder und gab den Geist auf.‹ Mit anderen Worten, er wurde von dieser unbekannten Macht niedergestreckt. Im Falle von Bathach und seiner Frau Moman jedoch wurden beide von der Hand eines Menschen getötet, und der Mensch war der Abt. Er leugnet nicht, dass er Bathach und Moman erschlagen hat, sondern behauptet, er habe lediglich so gehandelt wie Gott in der Apostelgeschichte. Unserem Gesetz nach ist eine solche Rechtfertigung nicht zulässig.«
    »Du würdest also Gott schuldig sprechen, hättest du im Fall von Ananias und Sapphira zu richten?«, höhnte Abt Biotan.
    Fidelma ließ sich nicht aus der Fassung bringen.
    »Wie ich schon gesagt habe, es ist Sache der Theologen, darüber zu debattieren, was in der Heiligen Schrift steht. Als Rechtsanwältin empfinde ich es als sonderbar, dass Gott das Gebot erlässt ›Du sollst nicht töten‹, dann aber darangeht, einen Mann und eine Frau zu erschlagen, nur weil sie nicht den vollen Preis des Ackers hingaben, den sie verkauft hatten, um ihn den Aposteln zu Füßen zu legen. Dabei hatten sie es aus freien Stücken getan und hätten der Kirche überhaupt nichts geben müssen. Das scheint mir keine Gerechtigkeit zu sein, wenigstens sehe ich es so. Wenn Gott allmächtig ist und alles und jedes im Voraus weiß, muss er gewusst haben, was sich ereignen würde, und könnte somit wegen Mittäterschaft angeklagt werden. Doch dieses Ehepaar aus einem so nichtigen Grunde hinzuschlachten … Das lässt sich schlecht vereinbaren mit der Vorstellung eines allgütigen, allliebenden, allvergebenden Gottes. Und das ist der Gott, den Petrus uns vorzeichnet, und der Apostel war ja unmittelbar befasst mit dieser Sache.«
    Alle schwiegen.
    Abt Biotan ließ einen Stoßseufzer hören.
    »Du magst eine gute Anwältin sein, Fidelma, doch mit theologischen Dingen wirst du dich noch befassen und dich darein versenken müssen.«
    Unversehens erhob er sich. »Ich mache mich auf den Weg zu meiner Abtei, Brehon Morann.«
    Der Rektor hob leicht die Hand zum Zeichen, dass er ihn ziehen ließ.
    Als sich die Tür hinter dem Abt und seinem Richter Iorard schloss, lehnte sich Brehon Morann zurück und schaute Fidelma mit gespannter Miene an.
    »Du bist wohl nicht verwundert, dass ich Abt Biotan einfach habe gehen lassen?« Fidelma strahlte übers ganze Gesicht. »Der hat niemanden umgebracht. Von dir möchte ich nur wissen, ob Bathach und Moman jemals gelebt haben oder eine reine Erfindung sind.«
    Anstelle einer Antwort gluckste Rektor Morann vergnügt und fragte: »Wieso?«
    »Weil das hier ein Examen war; einfach eine Überprüfung meiner Fähigkeiten, mehr war das nicht.«
    »Und

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