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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Seufzer aus. Sie war soeben in der Abtei eingetroffen, und zwar war sie gekommen, um dem Abt ein Geschenk ihres Bruders Colgú, dem König von Cashel, zu überreichen. Es handelte sich um einen Psalter, eine Sammlung von Psalmen in lateinischer Sprache. Doch ihr alter Freund Laisran war mit den Gedanken woanders. Ein Mitglied seiner Gemeinschaft war ermordet worden, und der Täter lebte, wie es schien, ebenfalls in der Abtei. Trotzdem sah es Laisran nicht ähnlich, derart besorgt zu sein. Fidelma kannte ihn seit ihrer Kindheit. Er war es, der sie überredet hatte, Rechtswissenschaften zu studieren. Als sie schließlich die Qualifikation einer
anruth,
nur eine Stufe niedriger als die höchstmögliche, nämlich die eines
ollamh,
erlangt und sich als
dálaigh
, Anwältin bei Gericht, etabliert hatte, riet er ihr, einer Glaubensgemeinschaft beizutreten. Er war sicher, dass ein solcher Schritt ihre Chancen, weiterzukommen, verbessern würde.
    Normalerweise war Abt Laisran munter und vergnügt. Schwermut stand ihm nicht gut zu Gesicht; er war klein und untersetzt, mit einem rosigen Teint. Er verfügte über die seltene Gabe, die Welt als einen Ort zu betrachten, die jedem, der dafür offen war, Freude und Erbauung bot. Er war bekannt für seinen Humor. Heute aber kam er Fidelma vor wie ein Mensch, der die Last der Welt auf seinen Schultern trägt.
    »Erzähl mir davon«, sagte sie ermutigend. »Vielleicht kann ich ja helfen.«
    Ein Hoffnungsschimmer trat in Laisrans Augen. Er hob den Kopf und sagte: »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir helfen könntest. Die Fakten passen, wie ich schon sagte, alle zusammen, aber irgendetwas stört mich …« Er dachte nach, schien zu keinem Schluß zu kommen und zuckte die Achseln. »Ich würde gern deine Meinung hören«, schloss er.
    Fidelma lächelte ihm aufmunternd zu. »Dann lass mal die Fakten hören«, sagte sie.
    »Vor zwei Tagen«, begann Laisran, »wurde Bruder Síoda erstochen in seiner Zelle aufgefunden. Man hatte ihm mehrere Stiche zugefügt, alle mitten ins Herz.«
    »Wann wurde er gefunden und von wem?«
    »Nachdem er nicht zur Morgenandacht erschienen war, schickte ich Bruder Cruinn, den Verwalter, in seine Zelle, um nach ihm zu sehen. Er lag blutüberströmt auf seinem Bett.«
    Fidelma wartete, bis sich der Abt gesammelt hatte und in der Lage war, fortzufahren.
    »In unserer Abtei lebt ein junges Mädchen, Schwester Scáthach. Sie wurde als Kind von ihren Eltern zu uns gebracht, weil sie Stimmen hörte, flüsternde Stimmen in ihrem Kopf. Vor ungefähr einem Monat begann unser Apotheker, sich um sie zu sorgen. Sie war …« – der Abt zögerte, als suche er nach dem richtigen Wort – »sie glaubte, die Stimmen würden ihr etwas befehlen.«
    Fidelma zog überrascht die Brauen hoch. Laisran, dem ihre Verwunderung nicht entgangen war, erklärte: »Sie war von Anfang an ein wenig exzentrisch, aber ihr Verhalten wurde immer seltsamer. Vor einem Monat legte ich fest, sie in einer geschlossenen Zelle unterzubringen. Schwester Sláine, die in der Apotheke arbeitet, hat sie betreut. Kurz nachdem Bruder Síoda tot aufgefunden wurde, ging ich mit dem Verwalter in ihre Zelle. Seitdem sie sich so merkwürdig betrug, hielten wir es für besser, sie einzuschließen. Der Schlüssel hing normalerweise an einem Haken draußen vor der Tür. An diesem Tag aber steckte er von innen; die Tür war abgeschlossen. In der Zelle fanden wir eine Kutte und ein Messer, beides voller Blut. Es lag auf der Hand, dass Schwester Scáthach das Verbrechen begangen hatte.«
    Der Abt stand auf und ging zu einer Truhe, aus der er erst das blutverkrustete Messer, dann die befleckte Kutte hervorholte, um sie Fidelma zu zeigen. »Der arme Bruder Síoda«, sagte er leise. »Das Blut ist offenbar aus seiner Brust gequollen und auf die Kutte des Mädchens gespritzt.«
    Schwester Fidelma streifte die Gegenstände nur mit einem flüchtigen Blick. »Was ich gern wüßte«, sagte sie, »ist erstens, warum ihr euch nach Auffinden der Leiche sofort in Schwester Scáthachs Zelle begeben habt.«
    Laisran presste nachdenklich die Lippen zusammen, ehe er antwortete. »Nun, genau einen Tag vor dem Mord hat Schwester Scáthach prophezeit, dass Bruder Síoda das Herz aus dem Leib gerissen würde.«
    Fidelma verschränkte die Hände, legte sie in den Schoß und blickte versonnen ins Feuer. »Du sagtest, du hast sie in eine geschlossene Zelle gesteckt und von einer Schwester betreuen lassen. Dann war sie wohl gewalttätig,

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