Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)
aufgeschlagen, als ich fiel.«
»Das wäre die einzig schlüssige Erklärung«, sagte der Brehon leise. »Malcom hat so stark geblutet, dass wir nicht feststellen können, welche Blutspuren von ihm und welche von dir stammen. Nun, ich denke, dieser junge Mann hat uns alles gesagt, was er weiß.«
»Ich habe auch keine weiteren Fragen«, stimmte MacBeth zu. »Geh mit Garban zurück zu seiner Frau. Sie soll sich die Wunde noch einmal anschauen. Es scheint, als wäre sie recht tief, und wie ich sehe, bildet sich eine Schwellung.«
»Ich würde es vorziehen, ein wenig zu ruhen, gnädiger Herr«, erwiderte Segan, doch Garban packte ihn freundlich, aber resolut am Arm. »Dafür bleibt noch genug Zeit, nachdem meine Frau einen Umschlag für deine Wunde gemacht hat«, sagte er lächelnd.
Allein mit dem Brehon, fragte MacBeth: »Nun, was denkt Ihr?«
Cothromanach zuckte die Achseln. »Es gibt nicht viel zu denken, Mylord. Wir besitzen nicht genügend konkrete Hinweise, um eindeutige Schlussfolgerungen ziehen zu können.«
»Folgendes ist uns bekannt: Der Attentäter verschaffte sich Zutritt zu diesem Raum und stach Prinz Malcom nieder. Der Aufprall seines Körpers auf dem Fußboden muss den Kämmerer geweckt haben. Segan versuchte, die Tür zu öffnen, die der Mörder von innen verriegelt hatte. Als dieser hörte, wie Segan nach seinem Herrn rief, wusste er, dass er ihn einlassen musste. Anderenfalls würde der Diener Verstärkung holen und die Flucht des Mörders vereiteln. Also öffnete er den Sperrriegel und legte sich hinter der Tür auf die Lauer.«
Cothromanach schmunzelte. »An Euren Schlussfolgerungen ist nichts auszusetzen, Mylord.«
MacBeth fuhr eifrig fort: »Der Mörder steht also hinter der Tür und wartet, dass der Kämmerer eintritt. Er verlässt sich darauf, dass Segan, wenn er seinen Herrn blutüberströmt am Boden sieht, unwillkürlich einen Schritt auf ihn zugeht, was dieser auch tut. Der Täter ergreift seine Chance und schlägt zu. Anschließend verlässt er den Raum.«
»Die Logik ist einwandfrei.«
MacBeth lächelte verkniffen. »Wenn ich etwas beherrsche, dann die Gesetze der Logik«, entgegnete er selbstgefällig.
»Nun denn, gnädiger Herr, lasst uns weiterhin logisch vorgehen, indem wir zunächst einmal den Leichnam des Prinzen untersuchen«, meinte der Brehon.
MacBeth blickte hinab auf den Toten und verzog angewidert das Gesicht. »Was verrät er uns schon, außer dass er hinterrücks angefallen und erstochen wurde?«
»Diese Tatsache stellt uns vor eine bedeutsame Frage, die wir unbedingt beantworten müssen.«
»Wie das?«
»Wir wissen, dass der Prinz aus Gründen, die Euch wohlbekannt sein dürften, gnädiger Herr, um sein Leben fürchtete. Bevor er sich nachts zur Ruhe begab, pflegte er seine Tür von innen zu verriegeln. Wie verschaffte sich der Mörder also Zutritt?«
MacBeth hob fragend die Brauen und nahm die Tür in Augenschein. Der Riegel war stabil, und es gab keinen Hinweis darauf, dass jemand die Tür aufgebrochen hatte. Und was das kleine Fenster betraf, so musste er nicht nachschauen, um zu wissen, dass es aus großer Höhe auf ein steiniges Flussbett blickte. Ausgeschlossen, dass jemand hindurchgeklettert war. Dafür konnte er sich verbürgen.
»Wenn …« Er hielt nachdenklich inne und fuhr bedächtig fort: »Wenn die Tür tatsächlich verriegelt war, hat Malcom sie selbst geöffnet.«
Cothromanach nickte zustimmend. »Das bedeutet, dass er seinen Mörder kannte, gut genug, um ihm zu vertrauen, um ihn in sein Schlafzimmer zu lassen, obwohl er nur notdürftig bekleidet war und …«
Als MacBeth merkte, worauf der Brehon hinauswollte, fiel er ihm ins Wort: »Er vertraute ihm so sehr, dass er ihm den Rücken zuwandte. Und als er das tat, stach der Attentäter zweimal zu …«
»… ließ das Messer fallen und war im Begriff zu fliehen …«
»… als er von Segan gestört wurde?«
»Möglicherweise«, sagte Cothromanach. »Doch was mag sein Motiv gewesen sein?«
»Liegt das nicht auf der Hand? Malcom war ein bevorzugter Anwärter auf den Thron des Großkönigs. Offenbar wollte ihn jemand ausschalten.«
»Das würde also bedeuten, dass der Täter im Sold seines Konkurrenten Duncan stand?«
MacBeth nickte. Dann verzog er schmerzlich das Gesicht und fügte hinzu: »Ihr scheint zu vergessen, dass ich durch den Tod des Prinzen Vorstand des Hauses Moray geworden bin und damit ebenfalls für den Thron in Sgàin in Frage komme.«
Ein flüchtiges Lächeln huschte
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