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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Person sprechen – stolzierte vor der Abendvorstellung herein und verlangte, den Direktor zu sprechen. Man verwies ihn an mich.«
    »Und was wollte er?«, drängte der Konstabler.
    »Er beschuldigte unser Ensemble des Plagiats an einem Stück, das angeblich seiner Feder entstammte.«
    Konstabler Drew zog eine Augenbraue hoch. »War der Vorwurf begründet?«, wollte er wissen.
    »Mein lieber Herr Konstabler, wir sind dabei, ein Stück zu proben, das von einem gewissen Bardolph Zenobia verfasst wurde. Er ist Autor der berühmten Tragödie ›The Vow Breaker Delivered‹, ›Die Überführung des Wortbrüchigen‹. Ein großartiges Stück …« Er stutzte, als er dem gereizten Blick des Konstablers begegnete, beeilte sich aber sogleich, seinen Bericht zu Ende zu führen.
    »Der junge Mann, den Ihr beschreibt, behauptete, er sei der eigentliche Autor dieses Stücks. Als ob ein Jüngling wie er imstande wäre, solch ein Meisterwerk zu verfassen! Angeblich ist ihm ein Kamerad zur Hand gegangen…«
    »Und Ihr habt seiner Behauptung keinen Glauben geschenkt?«
    »Nicht im geringsten. Bardolph Zenobia ist ein großer Schriftsteller und ein wahrer Gentleman. Seine vornehme Art …«
    »Ihr kennt ihn also gut?«
    »Das will ich nicht sagen«, räumte Williams ein. »Er ist ab und an ins Theater gekommen, wenn wir eines seiner Stücke inszeniert haben. Soviel ich weiß, wohnt er in der ›Groaning Cardinal Tavern‹ in der Clink Street.«
    »In der Clink Street?«, wiederholte Drew. Die fragliche Straße befand sich jenseits des Flusses, in seinem Revier.
    »Wie alt schätzt Ihr Zenobia?«
    »Mindestens vierzig. Seine Schläfen sind ergraut, und sein Ausdruck ist so weise und gelassen, wie es einem Erzbischof gut zu Gesicht stehen würde.«
    Drew schnaubte verächtlich. Diese Theaterleute hatten eine Vorliebe für blumige Formulierungen.
    »Und dann hat der junge Mann das Theater verlassen?«, fragte er.
    »Verlassen hat er es erst, als ich drohte, die Wache zu rufen. Nachdem ich mich geweigert hatte, seine Anschuldigungen ernstzunehmen, hat er mich angebrüllt. Wenn es ihm nicht gelinge, das gestohlene Stück zurückzubekommen oder eine angemessene Entschädigung auszuhandeln, sei sein Leben in Gefahr, behauptete er.«
    »Sein Leben? Meiner Treu! Seltsam! Seid Ihr sicher, dass er von seinem eigenen Leben sprach und nicht vom Leben Bardolph Zenobias? Vielleicht drohte er vielmehr, diesen zu töten?«
    »Ich bin es gewohnt, sehr genau auf den Wortlaut einer Aussage zu achten, mein Guter«, entgegnete Page Williams schroff. »Der junge Mann ging dann bald. Zufällig hielt sich Herr Zenobia gerade im Bühnenbereich auf, um einen Blick auf die Kostüme zu werfen, die wir für die Aufführung seines Stücks verwenden wollten. Ich habe ihm geraten, sich vor dem jungen Mann und seinen ungeheuerlichen Anschuldigungen in Acht zu nehmen.«
    »Was hat er erwidert?«
    »Nur, dass er nun auf der Hut sein würde. Kurz darauf verließ er das Theater.«
    »Ist er heute hier?«
    »Nein. Er sagte mir, dass er es nicht schaffen würde, die Matinee zu besuchen, aber direkt nach der Vorstellung ins Theater kommen wolle.«
    »Ein seltsames Verhalten für einen aufstrebenden Stückeschreiber«, bemerkte Drew. »Man sollte meinen, er sei daran interessiert, bei der Uraufführung seines Werks anwesend zu sein.«
    »Da muss ich Euch recht geben. Es ist in der Tat befremdlich, dass Bardolph Zenobia unser bescheidenes Theater nur außerhalb der Vorstellungen beehrt.«
    Konstabler Drew bedankte sich und begab sich wieder in Richtung Themse. Statt noch einen Halfpenny für den Fährmann zu opfern, ging er zu Fuß zur London Bridge und bahnte sich einen Weg durch die Massen, die das hölzerne Bauwerk überquerten. Oben auf der Brücke drängten sich niedrige, windschiefe Hütten. Drew kannte den Wachposten auf der Brücke und verbrachte mit ihm eine angenehme halbe Stunde in einer der zahlreichen Schenken. Es war bereits Mittag, und er brauchte dringend ein Ale und eine Schweinefleischpastete zur Stärkung. Nach dem Essen verabschiedete er sich von seinem Kollegen, überquerte die Brücke zum linken Ufer und ging weiter in westliche Richtung, bis er die Clink Street erreichte.
    Das Gasthaus ›Groaning Cardinal Tavern‹ sah wenig verheißungsvoll aus. Auf dem Schild war ein papistischer Kardinal auf dem Scheiterhaufen abgebildet. Schaudernd erinnerte sich Drew, dass man in England noch im vergangenen Jahr Häretiker verbrannt hatte. Es herrschte noch immer

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