Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)
große Furcht vor katholischen Verschwörern. Henry, Prinz von Wales, hatte sich wenige Wochen vor seinem Tod geweigert, eine katholische Prinzessin zu ehelichen. In Papistenkreisen wurde von einer Rache Gottes und unter den Protestanten von Hexerei gemunkelt.
Konstabler Drew betrat das Gasthaus. Der Wirt war ein wahrhafter Riese, breitschultrig und muskulös, und trug anstelle eines Oberhemds nur ein kurzes ledernes Wams, das seine behaarte Brust notdürftig bedeckte. Er schwitzte stark; offenbar war er gerade dabei, Bierfässer zu verladen.
»Ich suche einen gewissen Bardolph Zenobia«, sagte Drew.
»Bardolph Zenobia, Konstabler?« Der Wirt warf den Kopf in den Nacken und lachte aus vollem Hals. »Da hat Euch aber jemand verschaukelt! Hier gibt’s weit und breit keinen Bardolph Zenobia. Ist wohl ein Ausländer, was?«
Drew dämmerte, dass es sich wahrscheinlich um einen Künstlernamen handelte. Er wusste, dass es im Theater gang und gäbe war, sich ein pompös klingendes Pseudonym zuzulegen. Als er Williams’ Beschreibung des Mannes wiedergab, bemerkte er, dass der Wirt nun ein wenig besorgt wirkte.
»Was hat er denn angestellt, Konstabler? Der hat doch nich’ etwa Schulden, oder?«
Drew schüttelte den Kopf. »Nein, seine Zeche wird er schon noch zahlen, nehme ich an, aber ich muss diesen Mann dringend befragen.«
Der Wirt stieß einen tiefen Seufzer aus. »Erster Stock, vorne rechts.«
»Und wie lautet der Name des Thespis-Jüngers?«
»Tom Hawkins.«
»Das hört sich schon vernünftiger an als ›Bardolph Zenobia‹.«
»Die sind doch alle gleich, diese Theaterleute mit ihren großartigen Namen und Titeln«, brummelte der Wirt zustimmend. »Und kaum einer von ihnen nennt einen Viertelpenny sein eigen! Obwohl, da ist Herr Hawkins eine Ausnahme. Der wohnt schon seit fünf Jahren bei mir.«
»Er verfügt über eigene Mittel?«
Der Mann sah ihn verständnislos an.
»Hat er neben dem Theater noch andere Einkünfte?«
»Er zahlt immer pünktlich, mehr will ich gar nicht wissen, Herr.«
»Aber er ist doch Schauspieler, oder nicht?«
»Jawohl, er gehört zu den ›King’s Men‹.«
»Dem Ensemble des Globe-Theaters?«
«Ja, er ist einer von Burbages Leuten«, bestätigte der Wirt.
Konstabler Drew stieg die Treppe hinauf in den ersten Stock und klopfte rechts vorn an die Tür. Als niemand reagierte, trat er ohne zu zögern ein. Keiner war im Raum. Es herrschte ein heilloses Durcheinander; überall lagen Kleider und Papiere verstreut. Drew warf einen Blick auf letztere. Es handelte sich weitgehend um Theaterstücke. Auf einige Seiten war der Name »Bardolph Zenobia« gekritzelt.
Drew ging wieder nach unten und berichtete dem wuchtigen Wirt, dass er niemanden angetroffen hatte.
»Vielleicht ist er im Theater?«
»Die Nachmittagsvorstellung beginnt erst in einigen Stunden.«
»Aber oft wird vorher noch geprobt«, gab der Wirt zu bedenken.
Drew war soeben im Begriff, sich zu verabschieden, als ihm einfiel, dass es nicht schaden könne, den Wirt zu fragen, ob er etwas über den jungen Mann wisse, dessen Leiche aufgefunden worden war. Er beschrieb den Mann, allerdings ohne zu erwähnen, dass er tot war. Der Wirt aber schüttelte heftig verneinend den Kopf. »So einen jungen Mann hab’ ich noch nie gesehen.«
Konstabler Drew begab sich zum Globe-Theater, das sich aus seiner Umgebung in Bankside deutlich hervorhob. Als die Brüder Cuthbert und Richard Burbage vor vierzehn Jahren das Theater an dieser Stelle errichtet hatten, war er noch ein Junge gewesen. Seither war das Globe zu einer nicht mehr wegzudenkenden Institution geworden. Das Ensemble hatte zuerst »The Lord Chamberlain’s Men« geheißen, doch als König Jakob VI. von Schottland den englischen Thron bestieg, gewährte er der Truppe die Gnade, sich fortan »The King’s Men« zu nennen.
Konstabler Drew kannte Cuthbert Burbage flüchtig, da sich ihre Wege einige Male gekreuzt hatten. Cuthbert war für die geschäftlichen Angelegenheiten des Theaters verantwortlich, während sein Bruder Richard Regisseur und Meisterschauspieler war.
Drew trat durch die Türen des Globe Theaters. Jasper, der alte Portier, schlurfte herbei. Als er den Konstabler erkannte, blieb er verunsichert stehen und fragte: »Ist etwas passiert, Herr Drew?«
»Was soll denn passiert sein?«
»Nichts, soviel ich weiß. Ich gehöre nämlich zu denen, die sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, ihre Arbeit machen und redlich ihrem Schöpfer und ihrem König
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