Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)
Munition, nur mit Schießpulver, aber die Detonation wird sehr laut sein und unser verträumtes Publikum aufschrecken, damit es sich besser auf die Handlung konzentriert!«
Drew schnaubte abfällig. »Meiner Meinung nach wird die Detonation eher zu Taubheit führen, möglicherweise auch zu einer Massenpanik. Viele Zuschauer werden glauben, Papisten hätten das Theater angegriffen.«
Er wollte sich gerade einen Platz suchen, um Tom Hawkins’ Ankunft abzuwarten, als ihm noch etwas einfiel.
»Apropos Konzentration, Herr Burbage. Seid so gut und konzentriert Euch auf die Personenbeschreibung, die Ihr gleich von mir hören werdet.« Er schilderte mit knappen Worten die äußeren Merkmale des jungen Mannes, dessen Leichnam die Binnenschiffer aus der Themse geborgen hatten.
Burbages Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. »Verflucht! Nach diesem Spitzbuben suche ich schon seit heute früh! Er ist nicht zur Generalprobe erschienen, und ich musste einem seiner Freunde die Rolle geben. Wo steckt der minderwertige junge Schurke?«
»Bedauerlicherweise ist er seit zwölf Stunden tot.«
Richard Burbage schlug entsetzt die Hand vor die Stirn. Gleich darauf wurde es offenkundig, was ihn an dieser Nachricht am meisten schockierte.
»Ein Schauspieler zuwenig! Die Götter meinen es heute nicht gut mit mir …«
»Ich würde gern mehr über den jungen Mann erfahren«, beharrte Drew.
Ein Mann betrat den Bühnenbereich. Richard Burbage winkte ihn herbei. Drew erkannte auf Anhieb den anderen Bruder, Cuthbert Burbage.
»Einen guten Tag, Konstabler«, begrüße ihn dieser. »Was führt Euch an diesem herrlichen Samstag zu uns?«
Sein Bruder warf in einer Geste der Verzweiflung die Hände gen Himmel. »Von wegen herrlicher Samstag, lieber Bruder! Konstabler, erzählt ihm, worum es geht. Ich muss zurück an die Arbeit. Die Vorstellung beginnt in einer Stunde.« Er drehte sich auf dem Absatz um und entfernte sich schnellen Schrittes.
Konstabler Drew beeilte sich, Cuthbert Burbage mitzuteilen, was sich ereignet hatte.
»Dann ist der junge Oliver also ertrunken, sehe ich das richtig?«
»Oliver?«
»So hieß der Bursche. Oliver Rowe. Ist er unter Alkoholeinfluss in die Themse gestürzt und ertrunken?«
Drew schüttelte den Kopf. »Ich sagte, man hat ihn aus dem Fluß gezogen. Von Ertrinken war nicht die Rede. Man hat dem jungen Rowe die Kehle durchgeschnitten, ehe man ihn in sein nasses Grab beförderte. Raubmord war es nicht; wir fanden seinen Geldbeutel und – dies.« Drew holte den Ring aus seiner Tasche. »Er steckte noch an seiner Hand.«
»Der Ring ist Eigentum des Theaters!« zischte Cuthbert wütend. »Es handelt sich um Kostümschmuck. Allerdings nichts weiter als ein billiges Imitat. Ich hatte mich schon gefragt, wo er geblieben ist. Dieser Oliver sei verflucht…«
»Das ist er bereits, Herr Burbage«, bemerkte Drew.
Cuthbert blickte beschämt zu Boden. »Verzeihung. Ich vergaß vorübergehend, dass er tot ist, und dachte nur daran, dass er Requisiten entwendet hat.«
»War Oliver Rowe lange bei Euch?«
»Nicht länger als ein Jahr.«
»War er ein guter Schauspieler?«
»Eher nicht, mein Herr. Ihm mangelte es an Erfahrung und wahrer Hingabe. Zugegeben, diese Mängel hat er durch seine überdurchschnittliche Begeisterungsfähigkeit teilweise wettgemacht …«
»Hatte er Feinde?«
»Sucht Ihr ein Motiv für den Mord?«
»Ja.«
»Dann kann ich Euch nicht weiterhelfen. Oliver hatte keine Feinde, dafür aber viele Freunde, besonders unter den Angehörigen des schönen Geschlechts.«
»Wie verhielt es sich mit männlichen Kollegen?«
»Mit einigen war er befreundet.«
»Hatte er zu Hawkins ein besonders gutes Verhältnis?«
»Wohl kaum. Tom Hawkins ist doppelt so alt wie er und ein erfahrener Schauspieler, wenn er auch in jüngster Zeit ziemliche Allüren an den Tag legt. Er ist ein durchaus talentierter Darsteller, aber neuerdings verlangt er, Rollen zu spielen, für die seine Begabung nicht ausreicht. Wir mussten ihn schon mehrfach ermahnen, gemäß dem Sprichwort ›Schuster, bleib bei deinen Leisten‹.«
»Wo wohnte Oliver Rowe?«
»Nur einige Schritte von hier entfernt, Herr Drew. Er logierte im Haus einer Mrs. Robat am Skin Market.«
Ein Jüngling kam angerannt, um Cuthbert etwas zu berichten. Seine Wangen waren feuerrot, und seine Stimme überschlug sich.
Cuthbert Burbage erhob die Hand, um seinem Redeschwall Einhalt zu gebieten. »Langsam, langsam, Toby. Was ist los?«
»Meister Burbage,
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