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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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die Starken wie die Schwachen, die Naiven wie die Zyniker, die Gutgläubigen wie die Halsabschneider. Nirgendwo sonst gab es eine derartige Anhäufung des Bösen. Die puritanischen Geistlichen mussten nicht weit suchen, wenn sie den Menschen vor Augen führen wollten, wie es in der Hölle zuging.
    Konstabler Drew blickte am Ufer entlang und stieß einen tiefen Seufzer aus.
    Ein Junge kam ihm auf dem Pfad entgegen, in einer Hand eine Glocke, in der anderen eine beschriftete Tafel. Drew beugte sich vor und las, dass die »King’s Players« an diesem Abend im Globe-Theater Meister Will Shakespeares Stück »König Heinrich V.« aufführen würden, aber nicht mit Whelton Keehan in der Rolle König Heinrichs.
    Hardy Drew mußte unvermittelt an einige Verse aus einem anderen Shakespeare-Stück denken. Welches Stück war das noch mal?, überlegte er. Ja, richtig, es war »MacBeth«. Whelton Keehans letzte Vorstellung.
    »Morgen, und morgen, und dann wieder morgen,
    Kriecht so mit kleinem Schritt von Tag zu Tag,
    Zur letzten Silb’ auf unserm Lebensblatt;
    Und alle unsre Gesten führen Narr’n
    Den Pfad des staub’gen Todes. – Aus! Kleines Licht! –
    Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild;
    Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht
    Sein Stündchen auf der Bühn’ und dann nicht mehr …«
     

Rache auf hoher See
     
    Der letzte Schuss der Franzosen hatte das Achterdeck der »Deer hound « um eine Viertelmeile verfehlt, da das Kriegsschiff gerade im Begriff gewesen war, in einer schützenden Nebelbank zu verschwinden, die vom Kattegat durch den Öresund in die Kjoge Bight südlich von Kopenhagen wanderte. Das war vor zwanzig Minuten gewesen; seither war Stille eingekehrt. Zumindest waren keine Schüsse mehr zu hören, nur noch das leise Knarren der Holme, das Flattern der Segel und das Plätschern der Wellen am Rumpf der mit zweiundzwanzig Geschützen ausgerüsteten Korvette. Indessen verdichtete sich der weiße Nebel und verbarg die »Deerhound« vollständig vor ihren rachsüchtigen Verfolgern.
    Richard Roscarrock, Kapitän der Korvette Seiner Majestät, stand auf dem Achterdeck, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Er presste die Lippen zusammen und lauschte mit seitlich geneigtem Kopf. Schließlich richtete er sich auf, und seine Schultern schienen sich zu entspannen.
    »Segel reffen, Mr. Hart!«, befahl er dem Fähnrich zur See, der neben ihm stand, ein junger Bursche von höchstens neunzehn oder zwanzig Jahren. »Leise!«, fügte er hastig hinzu, als er bemerkte, wie der junge Mann mit den Händen einen Trichter bildete, um den Befehl hinauszuschreien. »Wir wollen doch nicht, dass uns der Franzmann hört! Holt die Topsegel und das Großsegel ein! Befehl weitergeben! Es soll sich jemand um den Schaden am Großmast kümmern! Die Bramstenge ist stark angebrochen, und das Großstag muss dringend gesichert werden, sonst richtet es noch ernsten Schaden an, wenn es lose hin- und herschlägt.«
    Der Fähnrich griff sich an den Kopf, schaffte es aber gerade noch, die Bewegung so aussehen zu lassen, als würde er dem Kapitän salutieren. Er eilte davon, um die Matrosen zusammenzurufen.
    Gervaise, der Erste Offizier, trat dicht an seinen Kapitän heran und sagte leise: »Ich glaube nicht, dass uns der Franzose gefolgt ist, Sir. Vermutlich hat er sich in Richtung Ostsee zurückgezogen, als er merkte, in welchen Gewässern wir uns befinden.«
    Roscarrock war zwar derselben Ansicht, begnügte sich aber mit einem Brummen, das alles und nichts hätte bedeuten können. Er war lange genug in seiner jetzigen Position, um zu wissen, dass es nicht klug war, die eigenen Ansichten mit Untergebenen zu erörtern.
    Unstead, der Zweite Offizier, gesellte sich zu ihnen. »Haben Sie die Bauart gesehen, Sir? Ich würde zehn Guineen darauf verwetten, dass es die ›Èpervier‹ aus Ramberts Geschwader war.«
    »Wollen wir versuchen, Admiral Gambier einzuholen, Sir?« fragte Gervaise.
    Roscarrock schnaubte gereizt. »Zu gegebener Zeit, Mr. Gervaise. Selbstverständlich weiß ich, was für ein Schiff das ist, Mr. Unstead. Wir werden die Deckung nutzen, die uns der Nebel bietet, um uns ein Bild von der Lage zu machen. Die Franzosen waren gute Schützen; wir haben einige Schäden erlitten. Sehen Sie sich nur unseren Großmast an.«
    Die Korvette war zufällig auf ein französisches Linienschiff mit vierundsiebzig Kanonen gestoßen, als sie die Landzunge von Stens Klint umschiffte. Sie waren in Reichweite der Kanonen geraten, noch

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